Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. häusliche Pflegehilfe. körperbezogene Pflegemaßnahmen. gleichzeitige Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch dieselbe Pflegekraft. Kostenabgrenzung. Folgenabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist - unter Beachtung der Kostenabgrenzungsrichtlinie auf Grund der getrennten Zuständigkeit zwischen Kranken- und Pflegeversicherung bei einheitlicher Leistungserbringung - im Rahmen der Folgenabwägung auf Grund der bislang höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfrage der Zeitanteil der Pflegeleistungen mit einem stündlichen Kostensatz zu multiplizieren, um diesen hiernach der pauschalisierten Leistung der Pflegekasse gegenüberzustellen.

 

Tenor

1. In Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 5. Mai 2023 wird der Antragsgegner verpflichtet, vorläufige Leistungen in Form der Hilfe zur Pflege ab dem 2. März 2023 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gewähren und hierbei einen Bedarf in täglicher Höhe von 102,22 € zzgl. der tatsächlichen Kosten für die hauswirtschaftliche Versorgung vor Abzug der Leistungen der Pflegeversicherung und der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Antragsgegner trägt ¼ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes die Kostenübernahme im Rahmen der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.

Der am XXX. X-Monat 19XX geborene Antragsteller erlitt am 20. Februar 2021 nach einer Reanimation einen hypoxischen Hirnschaden. Ihm wurde mit Bescheid vom 27. Mai 2021 ein GdB von 100 nebst der Merkzeichen G, B, aG, H und RF zuerkannt. Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu einem Auszahlungsbetrag von 867,80 € (Stand Januar 2023). Daneben gelangt eine Rente aus der Altersversorgung der Bauwirtschaft von 4,48 € zur Auszahlung. Ihm wurden ab dem April 2021 Sachleistungen aus der Pflegeversicherung des Pflegegrades 5 gewährt. Die Gutachten des MD vom 17. Mai 2021 und 17. Februar 2022 führen aus, dass er nach dem Krankenhausaufenthalt am 1. Mai 2021 in die Intensivpflegeeinrichtung verlegt wurde. Er ist beatmungspflichtig, voll sediert, nicht ansprechbar, habe die Augen zwar geöffnet, zeigt jedoch keine Reaktion. Er ist mit einer PEG-Sonde versorgt, mit einem Tracheostoma und mit einem transurethralen Blasenverweilkatheter. Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2023 verwiesen, welcher zwischen den Beteiligten erging:

„… ist der Widerspruchsführer für 24 Stunden täglich über die Trachealkanüle beatmungspflichtig. Es besteht ein schweres Psychosyndrom, eine spastische Tetraparese und Tetraplegie, der Verlust der kognitiven Fähigkeiten, eine Stuhl- und Harninkontinenz und eine Geh-, Steh- und Sitzunfähigkeit. Er reagiert nicht auf Ansprache, kann mit den Augen nicht fixieren und keine Bedürfnisse äußern. Die Ernährung inklusive der Flüssigkeitszufuhr erfolgt über eine PEG. Zusätzlich besteht seit Jahren ein chronischer Alkoholabusus, eine medikamentös behandelte Epilepsie und eine COPD. Zu den behandlungspflegerischen Maßnahmen werden die stündliche Cuffdruckmessung, die stündliche Kontrolle der Sauerstoffsättigung, die ungeplanten ca. 6-8 x täglich Absaugungen der Trachealkanüle, die 3 x täglichen Inhalationen und die 4 x täglichen Medikationsgabe angeführt.“

Zum 1. Mai 2021 erfolgte der Einzug in das betreute Wohnen. Die Pflege erfolgt durch die „W.GmbH Der X Pflegedienst“ [nachfolgend W.]. Der Mietvertrag vom 1. Mai 2021 über das durch den Kläger genutzte Zimmer wurde ebenso mit der W. abgeschlossen.

Unter dem 14. Dezember 2021 wurde der Antrag auf Sozialhilfe, Hilfe zur Pflege und Grundsicherung, durch die bestellte Betreuerin gestellt. Eingereicht wurde ein Kostenvoranschlag der W. vom 13. Dezember 2021 über 2.339,25 €, wovon ein Anteil von 2.095,00 € auf die Pflegeversicherung entfallen sollte. Im Kostenvoranschlag wurden die nachfolgenden Leistungskomplexe [LK] angeführt:

Kostenvoranschlag

Jan 22

LK 01 (kleine Morgen- / Abendtoilette)

31    

LK 04 (Ganzkörperpflege)

31    

LK 06 (Lagern / Betten / Mobilisieren)

124     

LK 09a (Darm- / Blasenentleerung)

62    

Dem Antragsteller wurde häusliche Krankenpflege für den Zeitraum Januar 2022 bis einschließlich Dezember 2022 verordnet. Mit Bescheid der Krankenversicherung vom 7. Januar 2022 wurde die Kostenübernahme für die spezielle 24-stündige Krankenbeobachtung für das Kalenderjahr 2022 bewilligt und darauf verwiesen, dass bei zeitgleicher Erbringung von medizinischer Krankenpflege und körperbezogenen Pflegemaßnahmen durch dieselbe Pflegefachkraft die Kosten zwischen Kranken- und Pflegeversicherung aufzuteilen sind und dies pauschal beim Pflegegrad 5 einen Anteil von 141 Minuten z...

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