Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. örtliche Zuständigkeit. gewöhnlicher oder tatsächlicher Aufenthalt. keine Sachverhaltsermittlung von Amts wegen "ins Blaue hinein"

 

Leitsatz (amtlich)

Im Eilverfahren ist es nicht angezeigt, von Amts wegen weitere Ermittlungen "ins Blaue hinein" vorzunehmen - hier zu der Frage des gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalts iS des § 36 SGB 2.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 18. November 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller steht im Leistungsbezug nach dem SGB II. Zwischen den Beteiligten ist - seit Jahren - streitig, ob der Antragsteller die von ihm gemietete Wohnung in der M.-P.-Straße …, Erdgeschoss, … tatsächlich bewohnt oder ob es sich hierbei, so der Antragsgegner, nur um eine Scheinwohnung handelt.

Durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. Mai 2009 hob der Antragsgegner die Leistungsgewährung ab 01. April 2007 ganz auf und forderte die Erstattung eines Betrages von 12.715,72 €. Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 10. September 2009 zurück. Der Antragsteller erhob am 06. Oktober 2009 Klage.

Am 13. November 2009 fand in der streitigen Wohnung in der M.-P.-Straße ein Erörterungstermin statt, bei dem das Gericht die Wohnung in Augenschein nahm.

Durch Urteil vom 15. März 2010 - S 17 AS 1837/09 - gab das Sozialgericht der Klage im Wesentlichen mit der Begründung statt, die Ortsbesichtigung habe ergeben, dass die Wohnung in der M.-P.-Straße bewohnt sei und sich nicht als Scheinwohnung darstelle.

Hiergegen legte der Antragsgegner fristgerecht Berufung ein, die beim Senat noch unter dem Aktenzeichen L 8 AS 60/10 anhängig ist. Im Berufungsverfahren trägt der Antragsgegner im Wesentlichen vor, der Antragsteller habe sich während des streitigen Zeitraumes nicht im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufgehalten.

Durch Bescheid vom 20. September 2010 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller Regelleistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011, nicht aber Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Antragsgegner hielt an seiner Rechtsauffassung fest, die Wohnung in der M.-P.-Straße sei eine Scheinwohnung (geringe Verbrauchswerte von Wasser und Strom).

Der Antragsteller erhob Widerspruch.

Am 28. September 2010 hat er um die Gewährung vorläufigen sozialrechtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Er hat darauf verwiesen, dass er in der M.-P.-Straße polizeilich gemeldet sei und einen ordnungsgemäßen Mietvertrag geschlossen habe.

Durch den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschluss vom 18. November 2010 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig und vorbehaltlich einer bestandskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichtes über die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Sozialgerichtes Schwerin vom 15. März 2010 - S 17 AS 1837/09 - die Kosten des Antragstellers für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01. Oktober 2010 bis 31. März 2011 für die Wohnung in der M.-P.-Straße …, Erdgeschoss, zu übernehmen und direkt an den Vermieter zu zahlen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der vorgetragen wird, der Antragsteller habe im streitigen Zeitraum nicht im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gewohnt.

Der Antragsteller tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht eine einstweilige Anordnung auf § 86b Abs. 2 SGG erlassen. Auch der Senat sieht das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes als gegeben an.

In dem noch beim Senat anhängigen Hauptsacheverfahren hat das Sozialgericht die streitige Wohnung in Augenschein genommen. Bei dem Ortstermin sind insbesondere Lebensmittel und andere Indizien für das Bewohnen der Wohnung festgestellt worden.

So war z. B. auch ein Fernsehgerät vorhanden. Damit ist - jedenfalls im Zeitpunkt des Ortstermins - die Unterkunft “tatsächlich genutzt„ worden, wie es von § 22 SGB II gefordert wird.

Allein die Tatsache, dass der Antragsteller für die Wohnung nur geringe Betriebskosten wegen geringer Verbräuche zu leisten hat, stellt nicht in Frage, dass der Antragsteller zumindest auch diese Wohnung bewohnt. Die Tatsache, dass der Antragsteller sich zeitweilig auch woanders aufhalten mag, macht die von ihm angemietete und zumindest teilweise auch bewohnte Wohnung nicht zu einer Scheinwohnung.

Eine weitergehende Sachverhaltsermittlung - auch und gerade zur örtlichen Zuständigkeit (§ 36 SGB II) - scheidet im vorliegenden Eilverfahren nach Auffassung des Senates aus, zumal bereits das SG am 13. November 2009 einen Ortstermin durchgeführt hat. Zudem ersche...

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