Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Bewilligung höherer als angemessener Kosten der Unterkunft aus gesundheitlichen Gründen

 

Orientierungssatz

1. Auch eine nur befristete Übernahme höherer als angemessener Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB 2 durch den Grundsicherungsträger ist ausgeschlossen, wenn der Leistungsberechtigte in eine andere Wohnung umzieht, ohne seiner Obliegenheit aus § 22 Abs. 4 S. 1 SGB 2 nachzukommen, zuvor die Zusicherung zur Übernahme der Kosten einzuholen.

2. Macht der Grundsicherungsberechtigte einen abweichenden Bedarf für eine größere als angemessene Wohnfläche aus gesundheitlichen Gründen geltend, so hat er deren Notwendigkeit substantiiert darzulegen. Anderenfalls ist der Antrag zurückzuweisen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.11.2021; Aktenzeichen B 4 AS 212/21 B)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 12.05.2016 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Beklagte hat dem Kläger 50 % seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.06.2012 bis 31.01.2013.

Der im laufenden Leistungsbezug des Beklagten stehende Kläger bewohnte ursprünglich ein selbst genutztes Eigenheim. Anlässlich dessen bevorstehender Zwangsversteigerung wies der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 08.03.2011 darauf hin, dass für eine danach anzumietende Wohnung nach der Richtlinie des Landkreises ausgehend von einer Grundfläche bis 45 m² ein Betrag von bis zu 250,- € für Grundmiete und kalte Nebenkosten angemessen sei.

Am 27.02.2012 schloss der Kläger einen Mietvertrag zum 01.06.2012 über eine 61,80 qm große Wohnung, für die eine Gesamtmiete von 415,60 € zu zahlen war. Diese setzte sich nach der Mietbescheinigung vom 03.06.2012 aus einer Grundmiete von 275,60 € sowie Vorauszahlungen für Nebenkosten in Höhe von 75,00 € und für Heizkosten in Höhe von 65,00 € monatlich zusammen. Eine Zusicherung des Beklagten hinsichtlich der Übernahme dieser Kosten holte der Kläger vor Abschluss des Mietvertrages nicht ein.

Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheiden vom 08.06.2012 (für Juni und Juli 2012) und 03.07.2012 (für August 2012 bis Januar 2013) jeweils Leistungen für Unterkunft in Heizung in Höhe von 304,00 € monatlich.

Mit Schreiben vom 19.12.2012 beantragte der Kläger die Übernahme der vollen Unterkunftskosten und machte insoweit geltend, dass er nicht mehr laufend Treppen steigen könne und daher eine Wohnung im Parterre benötige. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22.02.2013 ab und führte zur Begründung aus, dass die Kosten unangemessen seien und der Kläger keine Zusicherung zum Umzug eingeholt habe. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger erneut gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend. Er habe wegen eines immensen Schadens an seiner Wirbelsäule keine andere Wohnung beziehen können. Er könne nicht ständig Treppen steigen und brauche Platz in der Wohnung, um sich gut bewegen zu können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und legte noch einmal ausführlich die Unangemessenheit der Bruttokaltmiete dar.

Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2013 Klage zum Sozialgericht Neubrandenburg erhoben und zur Begründung folgendes geltend gemacht:

Der Kläger sei zweimal wegen Bandscheibenvorfällen operiert und habe danach das Laufen neu lernen müssen. Die medizinischen Befunde lägen dem Beklagten vor. Seither sei der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Er könne keine Treppen mehr steigen, so dass nur eine Wohnung im Erdgeschoss in Betracht komme. Zudem benötige er für die Fortbewegung vor allem im Schlafbereich und in der Toilette ausreichend Platz.

Eine Kürzung der Leistungen nach der Richtlinie des Landkreises U-- komme nicht in Betracht, da diese nicht die Anforderungen eines schlüssigen Konzepts nach der Rechtsprechung des BSG erfülle (was näher ausgeführt wurde). Es sei daher auf die Wohngeldtabelle mit einem Zuschlag von 10% abzustellen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2013 zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

 die Klage abzuweisen.

Er hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Anlässlich eines Widerspruchsverfahrens für einen Folgezeitraum hat der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 12.08.2013 und 11.09.2013 aufgefordert, ein ärztliches Attest hinsichtlich der Erforderlichkeit einer ebenerdigen Wohnung sowie einer Wohnungsgröße von mehr als 45 m² vorzulegen. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.

Das Sozialgericht hat den Beklagten auf die mündliche Verhandlung vom 12.05.2016 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 01.06.2012 bis zum 31.01.2013 monatliche Leistungen für ...

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