Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Übergangsverfahren zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Pflegeeinrichtung. Pflegesatz. einrichtungseinheitlicher Eigenanteil nach § 92e SGB 11. Besitzstandsschutz. Erhöhungsanspruch aus § 141 Abs 3c SGB 11 wegen einer erstmaligen Pflegesatzvereinbarung nach neuem Recht im Zeitraum vom 1.2.2017 bis 31.12.2017
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Erhöhung des Besitzstandsschutzes aus § 141 Abs 3c SGB XI wegen einer erstmaligen Vereinbarung der Pflegesätze nach neuem Recht im Zeitraum vom 1.2.2017 bis 31.12.2017 kann auch dann bestehen, wenn die erste Erhöhung des Eigenanteils zum 1.1.2017 zwar auf einem Schiedsspruch beruht, der eine Pflegesatzvereinbarung aber deshalb nicht ersetzt, weil er die Pflegeeinrichtung an ihren "Umschlüsselungsantrag" nach § 92e SGB XI für gebunden erklärt.
2. Die sich aus der Erhöhung des einrichtungseinheitlichen Eigenanteils ergebende Differenz kann der Pflegebedürftige zusätzlich zum bisherigen, bestandskräftig festgesetzten Besitzstandsbetrag beanspruchen; die Richtigkeit dessen rechnerischer Ermittlung ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung.
Normenkette
SGB XI § 141 Abs. 3c S. 1, §§ 76, 85 Abs. 5 S. 1, § 92c Abs. 1 Sätze 1, 5, § 92e; SGB X § 31 S. 1; SGG § 77
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 25. Juni 2019 sowie der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2018 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, ab dem 01. Juli 2017 für die Dauer der Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des einrichtungseinheitlichen Eigenanteils zusätzlich zum Leistungsbetrag nach § 43 SGB XI einen monatlichen Zuschlag in Höhe von insgesamt 282,82 Euro an das Evangelische Altenzentrum Stiftung „S.“ zu zahlen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Besitzstandsschutzes, der der Klägerin im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zusteht.
Die im Jahre 1937 geborene, bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin, wird seit Mai 2012 im Evangelischen Altenzentrum Stiftung „S.“ vollstationär gepflegt. Ihr war die Pflegestufe I zuerkannt, die entsprechend der gesetzlichen Überleitungsregelung (§ 140 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 lit. a) SGB XI) zum 01. Januar 2017 in den neuen Pflegegrad 2 übergeleitet wurde. Im Dezember 2016 fielen für die stationäre Pflege der Klägerin Kosten für allgemeine Pflegeleistungen (Pflegesatz zzgl. Umlage für Ausbildungsvergütung gemäß § 82a SGB XI aber ohne Kosten der Unterkunft und Verpflegung sowie ohne die gesondert berechneten Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB XI) in Höhe von 1.456,38 Euro an. Der Pflegesatz beruhte auf einer von der Einrichtungsträgerin für die Laufzeit 01. Januar bis 31. Dezember 2016 abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung mit den Leistungsträgern. Der von der Beklagten übernommene pauschale Leistungsbetrag gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB XI belief sich auf 1.064 Euro.
Ab dem 01. Januar 2017 betrug der durch § 84 Abs. 2 SGB XI in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 21. Dezember 2015 - PSG II eingeführte einrichtungseinheitliche Eigenanteil (nachfolgend: EEE) für die Pflegeeinrichtung der Klägerin 456,15 Euro monatlich. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 20. Januar 2017 mit, dass der (unmittelbar an die Pflegeeinrichtung zu zahlende) Zuschlag im Rahmen des Besitzstandsschutzes (nachfolgend: Besitzstandsbetrag) in Höhe von monatlich 160,38 Euro betrage. Die Pflegeeinrichtung erhalte eine Zweitschrift dieses Bescheides
Zum 01. Juli 2017 erhöhte sich der EEE für die von der Klägerin bewohnte Pflegeeinrichtung auf monatlich 578,59 Euro. Die Klägerin beantragte daraufhin bei der Beklagten eine Überprüfung des Besitzstandsbetrages. Mit Unterstützung der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V. (BIVA) führte sie aus, dass die Erhöhung des EEE zum Juli 2017 Folge einer ersten nach neuem Recht durchgeführten Pflegesatzverhandlung sei, weshalb gemäß § 141 Abs. 3c SGB XI der Besitzstandsbetrag zu erhöhen sei. Zwar liege für den Zeitraum Januar bis Juni 2017 ein Schiedsspruch vor, der inhaltlich jedoch lediglich eine Umschlüsselung der alten Pflegesätze und gerade keine Neuvereinbarung darstelle. Auf Bitten der Beklagten reichte die Klägerin eine Abschrift des Schiedsspruches der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (Az. 20/16 SGB XI SchSt) vom 26. Januar 2017, schriftlich abgefasst am 27. Januar 2017, sowie die Niederschrift über die Sitzung der Schiedsstelle vom 26. Januar 2017 zu den Akten; auf den Inhalt dieser Unterlagen wird Bezug genommen.
Die Beklagte lehnte eine Erhöhung des Besitzstandsbetrages mit Besch...