Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem GmbH-Geschäftsführer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist der Geschäftsführer einer GmbH an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden, weil er über keine Sperrminorität verfügt, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung kann er nicht verhindern. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende Verpflichtungen, wie z. B. eine Stimmbindungsabrede, sind nicht zu berücksichtigen.
3. In der Vergangenheit durchgeführte beanstandungsfreie Betriebsprüfungen bei der GmbH führen grundsätzlich nicht zu einem Vertrauensschutz. Erst seit der Entscheidung des BSG vom 19. 9. 2019, B 12 R 25/18 können Betriebsprüfungen auch eine Schutzwirkung für Arbeitgeber für die Zukunft begründen, wenn Betriebsprüfungsstellen aufgegeben wurde, die geprüften Sachverhalte offenzulegen.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 25. April 2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 28. Februar 2017.
Die Klägerin ist als Mediendienstleisterin in Form einer GmbH tätig. Gegenstand des Unternehmens ist die Konzeption, Planung und Entwicklung sowie Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen auf den Gebieten Medien, Architektur, Interieurdesign, Industrial Design Fashion und Food. In dem am 11. März 1994 notariell bekundeten Gesellschaftsvertrag wurden der am 30. Juni 1964 geborene Beigeladene zu 1. und seine 1966 geborene Ehefrau zu Geschäftsführern bestellt. Ihnen wurde eine Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt und es erfolgte eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Gesellschafter der GmbH waren neben dem Beigeladenen zu 1. und seiner Ehefrau zunächst auch deren Mutter A. H.. Im Gesellschaftsvertrag heißt es unter § 7 „Geschäftsführer“, dass die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer habe. Seien mehrere Geschäftsführer bestellt, vertreten zwei von ihnen die Gesellschaft gemeinsam oder einer von Ihnen in Gemeinschaft mit einem Prokuristen die Gesellschaft. Die Gesellschafterversammlung könne einzelnen von ihnen das Recht erteilen, die Gesellschaft allein zu vertreten sowie die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilen. In § 10 unter dem Stichwort „Gesellschafterversammlung“ heißt es unter anderem, die Gesellschafter würden ihre Beschlüsse in einer Gesellschafterversammlung, sofern sie nicht über eine andere Art der Beschlussfassung einig seien, treffen. 100,00 DM nominal des Stammkapitals ergäben eine Stimme. Die Gesellschaftersbeschlüsse bedürften einer Mehrheit von mindestens 51 % der Stimmen aller Gesellschafter, soweit im Gesetz oder in der Satzung nichts anderes bestimmt sei. Die Klägerin änderte mehrfach ihren Sitz und firmiert schließlich seit 2000 unter dem heutigen Namen. Mit notariellem Vertrag vom 13. Oktober 2000 trat Frau A. H. ihren Geschäftsanteil an der Gesellschaft in Höhe von damals 12.600,00 DM an ihren Ehemann H. H., den Schwiegervater des Beigeladenen zu 1., ab. Aufgrund der Währungsumstellung wurde mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 2000 die Regelung über das Stammkapital der Gesellschaft und über die Gesellschafterversammlung geändert. Hiernach betrug der Geschäftsanteil des Schwiegervaters des Beigeladenen zu 1. 6.552,00 Euro (ca. 25,2 %), des Beigeladenen zu 1. und seiner Ehefrau jeweils 9.724,00 Euro (ca. 37,4 %); das Stammkapital wurde auf insgesamt 26.000,00 Euro (gerundet) erhöht. § 10 Abs. 2 des Gesellschaftersvertrages bestimmt im Hinblick auf die Vorschriften der Gesellschafterversammlung, dass je 50,00 Euro nominal des Stammkapitals eine Stimme ergebe.
Unter dem 28. Januar 2010 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1. einen sogenannten Geschäftsführervertrag mit Wirkung vom 1. Februar 2010. Darin hieß es, dass der Beigeladene zu 1. als Geschäftsführer die Klägerin, gegebenenfalls mit anderen Geschäftsführern, gerichtlich und außergerichtlich vertrete, er führe die Geschäfte der...