Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. lärmbedingte Schwerhörigkeit
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer arbeitsbedingten Lärmexposition und einem (beiderseitigen) Gehörschaden (Gesundheitsanamnese).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine Schwerhörigkeit als Berufskrankheit anzuerkennen ist und ob ihr eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.
Die am 25. August 1941 geborene Klägerin war zumindest von 1962 bis zum 31. Dezember 1991 in einem Säge- und Hobelwerk in S. beschäftigt. Von 1962 bis 1966 war sie als Abnehmerin/Transportarbeiterin an einer Pendelsäge und von 1967 bis 1974 in der gleichen Funktion an einem Vierseitenhobel tätig. Von 1975 bis 1991 wurde sie in dem Betrieb als Maschinenbedienerin eingesetzt.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 1990 erstattete die Fachärztin für Allgemeinmedizin M. der ehemaligen Sozialversicherung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine Meldung über den Verdacht einer Berufskrankheit. Aufgrund der ärztlichen Untersuchung der Klägerin vom 09. November 1990 habe sie eine Lärmschädigung des Innenohres diagnostiziert. Der damalige Arbeitgeber der Klägerin erstattete mit Schreiben vom 07. Januar 1991 ebenfalls eine Meldung über den Verdacht einer Berufskrankheit. Die Klägerin arbeite direkt oder indirekt an Holzbearbeitungsmaschinen und sei ständig einer Lärmexposition ausgesetzt. In der Zeit von 1968 bis 1974 habe der Lärm bei 255 Arbeitsschichten pro Jahr 97 dB (A) und in der Zeit von 1974 bis 1990 bei 255 Arbeitsschichten pro Jahr 90 dB (A) betragen.
Die Klägerin wurde daraufhin von Dr. B. am 6. Februar 1991 untersucht. Dieser diagnostizierte bei ihr eine beginnende Innenohrschwerhörigkeit beiderseits, die unter Berücksichtigung der Berufsanamnese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz bedingt sei. Die Schwerhörigkeit habe jedoch keine soziale Bedeutung, da die Hörminderung unter 20 % liege. Dr. K. vom Gewerbeaufsichtsamt S. empfahl daher in ihrer Stellungnahme vom 13. Februar 1991, die Schwerhörigkeit bei der Klägerin nicht als Berufskrankheit nach der Ziffer 50 der Liste der Berufskrankheiten der ehemaligen DDR anzuerkennen.
Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 6. Juni 1991 lehnte die Beklagte es ab, die beginnende beiderseitige Innenohrschwerhörigkeit der Klägerin nach der Ziffer 50 der Liste der Berufskrankheiten (Lärm, der Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung verursacht) zu entschädigen, da die Innenohrschwerhörigkeit noch nicht den Schweregrad der sozialen Bedeutung erreicht habe.
Am 21. Dezember 1992 leitete die Gewerbeärztin Dr. K. der Beklagten eine ärztliche Anzeige der Dr. B. vom 15. November 1992 über den Verdacht einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit der Klägerin zu. Die Beklagte gab den Vorgang an die Holz-Berufsgenossenschaft in B. weiter, die Auskünfte der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin vom 09. März 1993 und 29. April 1993 einholte und die Klägerin zu den von ihr verrichteten Tätigkeiten befragte (Berufsfragebogen vom 25. März 1993). Desweiteren veranlaßte sie eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD). Dipl.- Ing. H. führte in seinem Schreiben vom 25. Juni 1993 aus, die Klägerin sei in der Zeit von 1962 bis 1966 6,5 Stunden täglich einem Lärmpegel von über 85 und unter 90 dB (A), von 1967 bis 1974 4 Stunden täglich von über 90 dB (A) und von 1975 bis 1991 8 Stunden täglich von über 90 dB (A) ausgesetzt gewesen.
Nach Beiziehung eines Tonaudiogramms von Dr. B. beauftragte die Berufsgenossenschaft den Facharzt für HNO-Heilkunde/Audiologie Dr. W. von der HNO-Klinik des Klinikums S. mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem auf der Untersuchung der Klägerin vom 21. September 1993 beruhenden Gutachten vom 18. Oktober 1993 kam der Sachverständige zusammenfassend zu dem Ergebnis, bei der Klägerin handele es sich um eine mittelgradige, symmetrische Schallempfindungsschwerhörigkeit mit Betonung des Hochtonbereiches. Obgleich der überschwellige Test nach SISI negativ ausfalle, spreche der seitengleiche symmetrische Befund mit Betonung des Hochtonbereiches bei Fehlen anderer ursächlicher Momente in erster Linie für das Vorliegen eines chronischen Lärmtraumas. Aufgrund der erhobenen Befunde und der über 29-jährigen Lärmbelastung am Arbeitsplatz sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es sich bei der festgestellten Schwerhörigkeit um eine Schädigung durch berufliche Lärmeinwirkung handele. Der Hörverlust (errechnet aus dem Reintonaudiogramm) betrage rechts 38,8 und links 40,2 % der aus dem Sprachaudiogramm errechnete Hörverlust betrage rechts 30 und links 50 %. Bei Berechnung des Hörverlustes nach dem gewichteten Gesamtwortverständnis ergebe sich ebenfalls rechts ein Hörverlust von 30 und links von 50 %. Hieraus resultiere eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. Auf Vera...