Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. häusliche Pflege. Entlastungsbetrag. Corona-Sonderregelung in § 150 Abs 5b SGB 11. Beschränkung auf Pflegebedürftige des Pflegegrades 1. Verfassungsmäßigkeit. keine Erleichterung durch § 150 Abs 5 SGB 11
Leitsatz (amtlich)
Die Pandemie bedingten Sonderregelungen in § 150 Abs 5b SGB XI sind auf Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 beschränkt; das stellt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der übrigen Pflegebedürftigen dar.
Orientierungssatz
Im Rahmen von § 150 Abs 5 SGB 11 können nur Pflegesachleistungen ersetzt werden. Mit der Norm geht mithin keine Erleichterung bei der Inanspruchnahme des ohnehin auf Kostenerstattung gerichteten Anspruchs aus § 45b SGB 11 einher.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Ansprüche der Klägerin auf den monatlichen Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI in Höhe von 125,00 EUR für Zeiträume ab Juli 2021. Geltend gemacht wird zudem die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten im Hinblick auf die Ablehnung der Leistung.
Die 1934 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert. Nachdem ihr von der Beklagten bereits zuvor Leistungen nach Pflegestufe I bewilligt worden waren, erhielt sie seit Inkrafttreten des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs am 01. Januar 2017 im Wege der Überleitung Leistungen nach Pflegegrad 2, seit dem 01. Dezember 2021 nach Pflegegrad 3.
Erstmals am 28. Mai 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung des Entlastungsbetrages gem. § 45b SGB XI in Höhe von monatlich 125,00 EUR, zunächst für den Zeitraum Juli 2019 bis April 2020. Hinsichtlich der Monate Juli 2019 bis Dezember 2019 war eine Rechnung vom 25. Mai 2020 über 750 EUR beigefügt, hinsichtlich der Monate Januar 2020 bis April 2019 (laut Rechnung, gemeint offenbar: April 2020) eine Rechnung vom 26. Mai 2020 über 500 EUR. In den Rechnungen waren Frau Sch., Frau P. und der Sohn und Prozessbevollmächtigte der Klägerin A. als „Leistungserbringer“ angegeben. Folgende Leistungen seien (in beiden Teilzeiträumen) erbracht worden:
- Beratung und Vertretung
- Pflegen von sozialen Kontakten
- Betreuung von Pflegebedürftigen
- Familien entlastende und unterstützende Dienstleistungen wie z.B. Besuch des Friedhofs, öffentlichen Veranstaltungen, Ausflügen
- Entlastung bei Behördengängen, Arztbesuchen
- Unterstützung im Haushalt und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (haushaltsnahe Dienstleistungen)
- Unterstützung beim Einkaufen, Beschaffung von Pflegemitteln und Medikamenten
- Individuelle Hilfe für Organisation und Bewältigung des Alltags
- Beaufsichtigung bei Sturzgefahr
- Fahrkosten mit Pkw B-Stadt - A-Stadt - B-Stadt.
Als Bankverbindung wurde ein gemeinsames Konto der Frau Sch. und des Herrn A. angegeben. Der Zahlung werde binnen 14 Tagen entgegengesehen. In ähnlicher Weise machte die Klägerin, wiederum vertreten durch ihren Sohn, unter Beifügung ansonsten inhaltsgleicher Rechnungen auch für spätere Monate jeweils 125 EUR geltend. Die hierauf von der Beklagten ergangenen Ablehnungsbescheide sind Gegenstand weiterer Berufungsverfahren.
Für den Monat Juli 2021 beantragte die Klägerin am 03. August 2021 unter Beifügung einer weiteren inhaltsgleichen Rechnung vom 01. August 2021 erneut die Zahlung von 125 EUR. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag auf Kostenerstattung mit Bescheid vom 09. September 2021 ab, weil es an der Anerkennung der Leistungserbringer durch die zuständige Landesbehörde fehle. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. November 2021 zurückwies. Die in den Rechnungen angegebenen privaten Pflegepersonen gehörten nicht zu den für die Erbringung von Entlastungsleistungen zugelassenen bzw. anerkannten Leistungsanbietern.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. November 2021 Klage bei dem Sozialgericht Stralsund erhoben. Der in § 45b SGB XI geregelte Anspruch auf Entlastungsleistungen lasse es im Rahmen von § 150 Abs. 5b SGB XI ausreichen, wenn Privatpersonen die Entlastungsleistungen erbringen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich (unter Außerachtlassung der Kostenanträge) beantragt:
1. Der Bescheid vom 09. September 2021 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09. November 2021 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 EUR für den Monat 07/2021 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 EUR über den Monat 07/2021 hinaus fortlaufend zu zahlen.
4. [...]
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser dadurch entstanden sind, dass die Beklagte auf Grund einer fehlerhaften Entscheidung den Entlastungbetrag verweigert hat.
6. [...]
Hilfsweise hat sie weiter beantragt:
7. Die Beklagte wird v...