Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtlicher Verfahren. Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 58 Abs 1 Nr 5 bei notwendiger Streitgenossenschaft. Erbengemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Macht eine Erbengemeinschaft einen Anspruch aus dem Nachlass geltend und wohnen die Miterben in unterschiedlichen Gerichtsbezirken, ist nach Sinn und Zweck des § 57 SGG das Gericht zuständig, bei dem die Klage der Erbengemeinschaft anhängig gemacht wird und in dessen Bezirks einer der Miterben wohnt.
Tatbestand
Der Versicherte H M beantragte bei der Beklagten die Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1999 ab. Am 6. Oktober 1999 verstarb der Versicherte.
Die Erbengemeinschaft hat gegen den ablehnenden Bescheid am 25. Oktober 1999 Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Die Erbengemeinschaft besteht aus R M wohnhaft in ... V, W M wohnhaft in ... A und S M wohnhaft in ... B-W. Zuständig für V ist das SG Stade, für A das SG Lüneburg und für B das SG Hannover.
Mit Verfügung vom 29. Oktober 1999 hat das SG Lüneburg das Landessozialgericht Niedersachsen nach § 58 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ersucht, das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
Entscheidungsgründe
Zuständiges Gericht ist das Sozialgericht Lüneburg.
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGG wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn eine örtliche Zuständigkeit nach § 57 SGG nicht gegeben ist. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmt, dass örtlich zuständig das Sozialgericht ist, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen.
Klägerin des vorliegenden Rechtsstreites ist die Erbengemeinschaft, die als nichtrechtsfähige Personenvereinigung iSd § 70 Nr. 2 SGG fähig ist, am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 70 Rz 3 mwN). Die Erbengemeinschaft hat weder Wohnsitz oder Aufenthaltsort noch einen Sitz iSd § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG. Da die Gerichtszuständigkeit im Falle der Klage einer Erbengemeinschaft durch § 57 SGG nicht geregelt wird, hat der Senat auf Ersuchen des SG Lüneburg eine Bestimmung nach § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGG zu treffen.
Der Senat stellt für die Bestimmung des zuständigen Gerichts in Ermangelung eines Sitzes der Erbengemeinschaft auf den Wohnort eines der Erben ab. Denn nach § 71 Abs. 3 SGG handeln für nichtrechtsfähige Personenvereinigungen ihre gesetzlichen Vertreter. Das sind für eine Erbengemeinschaft die Miterben.
Soweit Miterben einen Anspruch aus dem Nachlass geltend machen, bilden sie eine notwendige Streitgenossenschaft iSd § 74 SGG iVm § 62 Zivilprozessordnung (ZPO). In diesem Falle kann der Verpflichtete nach § 2039 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe die Leistung nur an alle Erben fordern. Infolge der damit gegebenen Identität des Streitgegenstandes kann über die Forderung nur einheitlich gegenüber allen Miterben entschieden werden.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn der Rechtsstreit betrifft eine Forderung aus dem Nachlass des Versicherten H M. Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Leistung, die vor dem Tod des Versicherten entstanden ist.
Bei einer notwendige Streitgenossenschaft kann die Klage aus Rechtsgründen nur gemeinschaftlich erhoben werden. Das bedeutet, dass auch die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGG für alle Miterben einheitlich erfolgen muss (vgl auch BSG, Beschluss vom 25. September 1998 -- B 1 SF 4/98 S).
Maßgebend für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 57 SGG. § 57 SGG stellt in erster Linie auf den Wohnort des Klägers ab. Damit verwirklicht das Gesetz den Grundsatz der Ortsnähe. § 57 SGG will es den Betroffenen erleichtern, sozialrechtliche Ansprüche durchzusetzen. Angesichts dieses Grundsatzes hält es der Senat nicht für sachgerecht, bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts auf den letzten Wohnsitz des Erblassers abzustellen. Denn mit einer solchen Bestimmung würde in zahlreichen Fällen der Grundsatz der Ortsnähe unnötig durchbrochen. Nach Auffassung des Senats ist daher bei Rechtsstreitigkeiten, in denen mehrere Streitgenossen einer notwendigen Streitgenossenschaft in unterschiedlichen Gerichtsbezirken wohnen, das Gericht als zuständig zu bestimmen, in dessen Bezirks einer der Streitgenossen seinen Sitz, Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat und bei dem die Klage der notwendigen Streitgenossen anhängig gemacht wird. Auf diese Weise wird eine maximale Verwirklichung des Grundsatzes der Ortsnähe und der Erleichterung der Prozessführung sichergestellt.
Im vorliegenden Fall woh...