Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Ausländer ohne Identitätspapier. Passpflicht. Übernahme von Passbeschaffungskosten gem § 73 S 1 SGB 12 iVm § 2 Abs 1 AsylbLG
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen nach § 73 SGB 12 kommen für die Bezieher von sog Analogleistungen nach § 2 AsylbLG in Betracht, wenn sie zur Erfüllung ihrer Passpflicht (§§ 3 Abs 1, 48 AufenthG) Gebühren für die Passerteilung entrichten müssen.
2. Kosten der Passerteilung sind nicht in den Regelsätzen des § 28 SGB 12 enthalten.
Orientierungssatz
Asylbewerber können nicht auf ein Ansparen im Regelsatz nach § 28 SGB 12 enthaltener Mittel verwiesen werden. Aus dem gleichen Grund scheidet die Inanspruchnahme von Darlehen nach § 37 Abs 1 SGB 12 aus (vgl SG Berlin vom 26.11.2008 - S 51 AY 46/06).
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen vom 11. Februar 2009 aufgehoben.
Den Klägern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. für das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Bremen - 5. Kammer für Sozialgerichtssachen -, Aktenzeichen S 5 K 2393/06 bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen vom 11. Februar 2009, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren abgelehnt hat. In der Hauptsache geht es um einen Anspruch der Kläger auf Übernahme von Passbeschaffungskosten.
Die Klägerin zu 1. (geboren 1958), der Kläger zu 2. (geboren 1954), der Kläger zu 3. (geboren 1989) und die Klägerin zu 4. (geboren Juni 1995) sind am 20. Oktober 1999 ohne Nationalpässe als ehemals jugoslawische Staatsangehörige aus der Volksgruppe der Roma im Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wurde zunächst nach § 55 Ausländergesetz (AuslG) geduldet, ab dem 14. März 2001 erhielten sie eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 32 AuslG, die jeweils verlängert wurde, am 29. Mai 2006 wurde ihnen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), befristet bis zum 29. Juni 2008 ausgestellt. Am 18. Juni 2008 schließlich erhielten sie eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104a Abs 1 Satz 1 AufenthG, befristet bis zunächst 31. Dezember 2009 (so genannte Altfallregelung). Zumindest mit den anfangs ergangenen ausländerrechtlichen Verfügungen an die Kläger (vom 26. Januar 2000, vom 31. August 2000), mit denen der Aufenthalt der Kläger zunächst geduldet wurde, wurden die Kläger darauf hingewiesen, sich unverzüglich um einen gültigen Nationalpass zu bemühen und ihre Bemühungen der Ausländerbehörde nachzuweisen. Ob die weiteren Verfügungen (Aufenthaltsbefugnis nach § 32 AuslG, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG) diesen Hinweis ebenfalls enthielten, lässt sich den Akten nicht entnehmen, weil Durchschriften dieser Verfügungen nicht in den Akten vorhanden sind. Die Kläger erhielten Ausweisersatzpapiere nach § 39 AuslG bzw § 48 Abs 2 und Abs 4 AufenthG, die ebenfalls jeweils verlängert wurden. Sie erhielten zunächst Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), später nach dem SGB XII und seit 1. Juli 2006 Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iVm den Vorschriften des SGB XII.
Am 17. Mai 2006 beantragte der Kläger zu 2. die Bewilligung einer einmaligen Beihilfe für die Kosten der Passbeschaffung. Er führte aus, nach ständiger Rechtsprechung des VG Bremen gehörten bei passlosen Ausländern die Kosten der Passbeschaffung zum Teil des notwendigen Lebensunterhaltes, der nicht durch die Regelsätze abgedeckt sei. Daher seien für die Kosten der Passbeschaffung einmalige Beihilfen zu gewähren (VG Bremen, Urteil vom 7. Dezember 2004 - 3 K 837/04 -). Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 führten die Kläger - mittlerweile vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - weiter aus, sie benötigten Pässe, um sich dauerhaft in Deutschland aufhalten zu können. Derzeit verfügten sie lediglich über Ausweisersatzpapiere der Ausländerbehörde. Diese seien lediglich Provisorien, die nur ausnahmsweise ausgestellt werden könnten. Außerdem sei es nicht möglich, damit in das europäische Ausland zu reisen. Dies sei jedoch insbesondere für die minderjährigen Kinder der Familie wichtig. In absehbarer Zeit werde der Kläger zu 3. voraussichtlich im Rahmen einer Abschlussfahrt der 10. Klasse in das europäische Ausland reisen. Außerdem könne es jederzeit sein, dass auch die Tochter J., die Klägerin zu 4., im Rahmen sportlicher oder kultureller Aktivitäten in das benachbarte Ausland reisen wolle. Vor allem aber seien die Kläger gemäß § 3 AufenthG passpflichtig. Ein Verstoß gegen die Passpflicht könne gemäß § 95 Abs 1 Nr 1 AufenthG mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Gemäß § 48 Abs 1 AufenthG sei der Ausländer verpflichtet, seinen Pass auf Verlangen den mit der Ausführung des AufenthG betrauten Personen vorzulegen. Diese Verpflichtung beinhalte, dass er al...