Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. örtliche Zuständigkeit des Grundsicherungsträgers. ausländerrechtliche Wohnsitzauflage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einer Wohnsitzauflage nach § 12a Abs 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) kann nur in dem Gebiet, in dem die Antragsteller ihren Aufenthalt zu nehmen haben, die Zuständigkeit des Jobcenters begründet werden.

2. Der Wohnsitzauflage kommt Tatbestandswirkung zu; sie ist für den Träger der Grundsicherung bindend, bis sie von der Ausländerbehörde oder im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 15. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 1. September 2017.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des SG Bremen vom 15. Januar 2018 ist nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht - soweit ein Fall nach Absatz 1 nicht vorliegt - auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.

Für das Begehren, Leistungen für den Zeitraum ab 1. September bis 7. Dezember 2017 zu erlangen, fehlt es bereits deshalb am Anordnungsgrund, weil der Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit vor Eingang des Eilantrages (8. Dezember 2017) ohnehin nicht in Betracht kommt. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes ist es, den Betroffenen lediglich diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller, d.h. gegenwärtig bestehender Notlagen notwendig sind. Für Zeiten vor der Antragstellung bei Gericht ist die zum Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche besondere Dringlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) regelmäßig nicht anzuerkennen. Sie ergibt sich nämlich im Geltungsbereich des SGB II generell aus der Notwendigkeit, den lebensnotwendigen Unterhaltsbedarf zeitnah zu decken, die Deckung eines in der Vergangenheit unbefriedigten Bedarfs an existenznotwendigen Gütern ist aber prinzipiell nicht nachholbar (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 35a). Eine Ausnahme kommt lediglich bei einem sogenannten Nachholbedarf in Frage, d.h. wenn die Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage bewirkt. Eine Eilbedürftigkeit ist von den Antragstellern insofern nicht glaubhaft gemacht worden und für den Senat auch nicht anderweitig ersichtlich.

Für die Zeit ab 8. Dezember 2017 (Tag des Eingangs des Eilantrages beim SG) fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und Anordnungsgrundes für die geltend gemachten Leistungen. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass dem geltend gemachten Leistungsbegehren die mangelnde örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners aufgrund der eindeutigen Regelung des § 36 Abs. 2 S. 1 SGB II entgegensteht. Ebenso zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Zuständigkeit eines Jobcenters danach nur dort begründet werden kann, wo ein Leistungsempfänger mit Wohnsitzauflage seinen Wohnsitz zu nehmen berechtigt bzw. verpflichtet ist. Auch die Ausführungen des SG zum fehlenden Anordnungsgrund sind einschlägig. Der Senat weist die Beschwerde daher nach eigener Sachprüfung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses vom 15. Januar 2018, auf die gem. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, zurück. Das Beschwerdevorbringen der Antragsteller rechtfertigt keine and...

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