Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für Auszubildende. Reichweite. analoge Anwendung des § 7 Abs 5 SGB 2 nF. Verfassungsmäßigkeit. Vorliegen einer besonderen Härte. Abbruch der Berufsausbildung. Ermessen des Leistungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Seit der Änderung des § 7 Abs 5 SGB II zum 1.8.2016 durch das 9. SGB II-ÄndG (juris: InsoAntrAussG/SGB2ÄndG 9), nach dem hilfebedürftige Personen, die eine förderungsfähige Berufsausbildung absolvieren, grundsätzlich aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehen können, bedarf es der näheren Prüfung der Reichweite des seit 2005 unveränderten Leistungsausschlusses für Auszubildende nach § 22 Abs 1 SGB XII (analoge Anwendung des § 7 Abs 5 SGB II), auch bei einer Anspruchsberechtigung nach § 2 AsylbLG.
2. Bei einer nach § 2 AsylbLG leistungsberechtigten Person kann ein Härtefall iS von § 22 Abs 1 S 2 SGB XII vorliegen, wenn der Ausländer eine förderungsfähige Berufsausbildung abbrechen müsste, weil er mit der typischerweise geringen Vergütung und einer ggf gewährten Berufsausbildungsbeihilfe seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann.
3. Ein Entschließungsermessen ist dem Leistungsträger in derartigen Fällen nicht eingeräumt.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 4. Dezember 2017 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab November 2017 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, und zwar für die Monate November und Dezember 2017 in Höhe von jeweils 339,70 € und für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2018 in Höhe von 346,70 € monatlich, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung über den Antrag des Antragstellers vom 27. November 2017.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt während seiner Berufsausbildung.
Der 26jährige Antragsteller ist guineischer Staatsangehöriger. Er ist im Jahr 2010 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und stand von Dezember 2010 bis Juli 2017 bei der Antragsgegnerin im Leistungsbezug nach dem AsylbLG. Derzeit besitzt er eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, die bis zum 13. Februar 2018 gültig ist.
Vom 1. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017 absolvierte er bei der B. Holz-Kunststoff-Technik GmbH (im Folgenden: B. GmbH) eine Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III mit dem Zielberuf Tischler. Dabei erhielt er ein Bruttoeinkommen in Höhe von 580,00 € monatlich (Netto-Auszahlungsbetrag: 489,03 €). Im Anschluss daran (ab dem 1. August 2017) begann der Antragsteller bei der X. GmbH eine Ausbildung.
Am 15. Juli 2017 reichte der Antragsteller den am 22. Juni 2017 unterzeichneten Berufsausbildungsvertrag bei der Antragsgegnerin ein. Aus dem Vertrag geht hervor, dass er im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Vergütung in Höhe von 580,00 € brutto (489,03 € netto) erhält, im zweiten Ausbildungsjahr in Höhe von 690,00 € monatlich. Am 2. August 2017 beantragte der Antragsteller bei der Agentur für Arbeit Bremen - Bremerhaven die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Nachdem der Antragsteller zunächst bis einschließlich Juli 2017 Leistungen nach § 3 AsylbLG (sog. Grundleistungen) bezogen hatte (zuletzt mit Bescheiden vom 22. und 27. März 2017 “ab dem 1. März 2017 für die Monate 3/2017 und 4/2017„ sowie vom 22. Mai 2017 “ab dem 1. Juni 2017 für den Monat 6/2017„; Zahlungen für die übrigen Monate erfolgten ohne Bescheid), bewilligte die Antragsgegnerin auf den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22. März 2017 mit Bescheid vom 8. August 2017 Leistungen nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen) ab dem 1. Dezember 2016. Den monatlichen Gesamtbedarf ab Januar 2017 von 795,13 € ermittelte die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in Höhe von 319,13 €, Heizkosten in Höhe von 67,00 € und einen Regelbedarf nach § 27a SGB XII in Höhe von 409,00 €. Von dem erzielten Einkommen in Höhe von 489,90 € im Monat Juli 2017 rechnete sie nach Abzug eines Freibetrages (146,97 €) sowie Aufwendungen für Arbeitsmittel (5,20 €) und Fahrkosten (37,40 €) 300,33 € an. Ob damit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. März 2017 vollständig abgeholfen worden ist, erschließt sich den Vorgängen der Antragsgegnerin nicht; ein Widerspruchsbescheid ist nicht bekannt.
Mit Bescheid ebenfalls vom 8. August 2017 hob die Antragsgegnerin die mit Bescheid vom 8. August 2017 gewährten Leistungen mit Wirkung vom 1. August 2017 auf und versagte den weiteren Leistungsanspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsfö...