Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten bei reinen Wohngemeinschaften
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in einer Wohngemeinschaft können nicht ohne Weiteres die für einen Mehrpersonenhaushalt angemessenen Größen zugrundegelegt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 2.Februar 2006 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren verpflichtet, der Antragstellerin über den 31.Dezember 2005 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 31.Mai 2006 Leistungen für Unterkunft und Heizung weiterhin in Höhe von 262,70€ monatlich zu erbringen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragstellerin lebt mit einem anderen Mieter in einer Wohngemeinschaft in B., Landkreis Celle. Gemeinsam haben sie zum 1. August 2004 einen Mietvertrag über 3 Zimmer, 1 Küche und 1 Bad sowie 1 WC mit 68 m² Wohnfläche und über ein Studio mit einer Grundfläche von ungefähr 40 m² (Wohnfläche ungefähr 10 m²) geschlossen. Der monatliche Mietzins beträgt insgesamt 410,40 €. Des Weiteren sind Vorauszahlungen für Betriebskosten in Höhe von 45,00 € und für Heizungskosten in Höhe von 70,00 € monatlich zu zahlen. Seit 1. Juli 2005 erhält die Antragstellerin Leistungen für Unterkunft und Heizung. Mit Schreiben vom 29. Juni 2005 ist der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass die Unterkunftskosten den Bedarf, der nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches (SGB) II anerkannt werden könne, überschritten. Des Weiteren wurde die Antragstellerin aufgefordert, die Unterkunftskosten durch Wohnungswechsel, Untervermietung bis zum 31. Dezember 2005 zu senken. Danach werde nur noch ein gekürzter Betrag berücksichtigt. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 sind der Antragstellerin Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Dezember 2005 in Höhe von 262,70 € und für die Monate Januar bis Mai 2006 in Höhe von 227,15 € bewilligt worden. Als angemessene Unterkunftskosten ist eine Kaltmiete in Höhe von 169,65 € (39 m² x 4,35 €) berücksichtigt worden. Dagegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 6. Januar 2006 Widerspruch eingelegt und am 10. Januar 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg beantragt, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung die Kosten für Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu bewilligen. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Mietzins deutlich unterhalb des Wertes der rechten Spalte der - nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hier heranzuziehenden - Wohngeldtabelle für die Gemeinden des Landkreises Celle liege.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 2. Februar 2006 abgelehnt: Zwar seien die Werte der aktuellen Wohngeldtabelle heranzuziehen, da für den Landkreis Celle kein Mietspiegel existiere. Allerdings sei der für Wohnungen von 2-Personenhaushalten als angemessen anzusehende Betrag zugrunde zu legen und entsprechend der in der Wohngemeinschaft lebenden Personen - hier durch 2 - zu teilen. Dann ergebe sich ein Betrag, der unter dem bewilligten liege. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei der in der Wohngeldtabelle genannte Betrag für einen 1-Personenhaushalt nicht heranzuziehen. Da die Antragstellerin in einer Wohngemeinschaft lebe, sei die Frage der Angemessenheit der Wohnung unter Berücksichtigung des tatsächlich bestehenden 2-Personenhaushaltes zu prüfen. Dass sie mit dem Mitbewohner keine Bedarfsgemeinschaft bilde, sei bedeutungslos. Denn infolge des gemeinsamen Wohnens würden gegenüber einem getrennten Wohnen Kosten eingespart. Würden bei einer Wohngemeinschaft die angemessenen Kosten für zwei 1-Personenhaushalte zu Grunde gelegt, entstünde eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zu Bedarfsgemeinschaften, bei denen nicht auf den Bedarf jedes einzelnen Mitgliedes abgestellt werde. Dagegen hat die Antragstellerin noch im selben Monat Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen. Denn diese sind angemessen (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).
Bei der Beurteilung, ob der Aufwand für die Unterkunft einen angemessenen Umfang hat, ist von der tatsächlich entrichteten Miete auszugehen und eine den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werdende Betrachtung anzustellen (BVerwGE 97, 110/112; 75, 168/171 zu der Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach dem Bundessozialhilfegesetz). Danach entscheidet sich die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht nach festen Regeln. Neben den konkreten Verhältnissen...