Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenständige Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren
Orientierungssatz
Im Verfahren nach § 109 Abs 1 S 2 SGG hat das Beschwerdegericht auch eine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen. Nach § 3 Abs 1 S 1 RVG ist eine besondere Rahmengebühr für das Beschwerdeverfahren vorgesehen (Nr 3501 RVG VV).
Tatbestand
Der Kläger hat die Gewährung von Erwerbsunfähigkeits-, hilfsweise von Berufsunfähigkeitsrente begehrt.
Der Kläger stand wegen chronischer erheblicher Rückenschmerzen in Behandlung insbesondere bei dem Internisten Dr. H., dem Orthopäden Dr. I. und dem Anästhesiologen Dr. J. (vgl. den Befundbericht von Dr. H. vom 22. Dezember 2001).
Nach berufskundlichen Ermittlungen des Sozialgerichts erkannte die Beklagte zunächst mit Schriftsatz vom 23. August 2002 (anknüpfend an ein eines Vergleichsangebot vom 21. Juni 2002) den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente an.
In dem wegen des Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente fortgesetzten Rechtsstreit teilte das Sozialgericht dem Kläger mit Verfügung vom 11. November 2002 mit, dass eine weitere medizinische Beweiserhebung von Amts wegen nicht beabsichtigt sei. Zugleich bat es um Mitteilung, ob ein Antrag nach § 109 SGG gestellt werden sollte.
Der Kläger beantragte daraufhin nach § 109 SGG die Einholung eines Gutachtens des Orthopäden Dr. G. Dieser legte in seinem Gutachten vom 19. April 2003 dar, dass aus orthopädischer Sicht der Kläger noch leichte Arbeiten mit verschiedenen Einschränkungen vollschichtig zuzumuten seien, namentlich müsse ein frei zu wählender Arbeitsrhythmus in stehender, und sitzender Haltung ohne längere Wegstrecken gewährleistet sein. Dabei wies Dr. G. zugleich darauf hin, dass eine weitere medizinische Sachaufklärung durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens im Hinblick auf die aus seiner Sicht naheliegende Möglichkeit eines chronischen Schmerzsyndroms mit Schmerzverarbeitungsstörungen geboten sei.
Das vom Sozialgericht von Amts wegen eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. K. vom 22. März 2004 bewog die Beklagte, vergleichsweise auch den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente anzuerkennen.
Den Antrag des Klägers, die Kosten des Gutachtens von Dr. G. der Staatskasse aufzuerlegen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 21. September 2004 mit der Begründung abgelehnt, dass das Gutachten von Dr. G. weder hinsichtlich der festgestellten orthopädischen Diagnosen noch hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens zu neuen Erkenntnissen geführt habe. Zur Einholung des nervenärztlichen Gutachtens habe sich das Sozialgericht nicht durch das Gutachten von Dr. G., sondern erst durch die nach seiner Erstellung eingeholten Befundberichte der Dres. H. und J. veranlasst gesehen.
Mit der am 19. Oktober 2004 erhobenen Beschwerde macht der Kläger geltend, dass Dr. G. in seinem Gutachten den für den Ausgang des Rechtsstreit entscheidenden Hinweise auf die Notwendigkeit eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gegeben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet. § 109 Abs. 1 S. 2 SGG eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, die zunächst vom Kläger übernommenen Kosten eines auf seinen Antrag nach § 109 Abs. 1 S. 1 SGG eingeholten Gutachtens nachträglich der Staatskasse aufzuerlegen. Im vorliegenden Fall entspricht es einer sachgerechten Ausübung dieses Ermessens, die Kosten des Gutachtens von Dr. G. der Staatskasse aufzuerlegen.
Eine Entscheidung des Gerichts, die den Kläger von der Pflicht befreit, Begutachtungskosten endgültig zu tragen, ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn das Gutachten für die Entscheidung oder den sonstigen Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung gewesen ist (vgl. LSG NRW, B. v. 4. Juli 2002, Az: L 10 B 8/02 SB; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 109 Rdn. 16a mwN). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der von Amts wegen ermittelte Sachverhalt durch nach § 109 SGG gehörte Sachverständige lediglich "erweitert" worden ist. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Sachverständige dem Gericht neue - rechtserhebliche - medizinische Erkenntnisse verschafft. Daran fehlt es, wenn durch das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten nur das bestätigt wird, was aufgrund der von Amts wegen eingeholten Gutachten zur Überzeugung des Gericht schon feststeht (vgl. ebenfalls den o.g. Beschluss des LSG NRW mwN).
Eine Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits im vorstehend erläuterten Sinne kann ein Gutachten bereits dann erlangen, wenn es zwar nicht unmittelbar neue entscheidungserhebliche Tatsachen belegt, aber die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts aufzeigt. Auch die Verdeutlichung eines weiteren - vom Gericht bislang übersehenen oder etwa aufgrund einer anderen Würdigung des medizinischen Sachverhalts verneinten - Aufklärungsbedarfs kann dem Gericht eine neue rech...