Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Honorarrückforderungsbescheid nach sachlich-rechnerischer Berichtigung der Honorarforderung

 

Orientierungssatz

1. Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Honorarrückforderungsbescheid über 6.000.- €. ist mangels eines bestehenden Anordnungsgrundes zu versagen, wenn der Vertragsarzt über erhebliche Vermögenswerte verfügt, die ausschließen, dass dieser bei sofortiger Vollziehung des Rückforderungsbescheides in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

2. Die Substitutionsbehandlung Drogen- bzw. Opiatabhängiger hat nach den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB 5 zu erfolgen. Hierzu ist u. a. eine ausführliche allgemeine Anamnese und eine richtlinienkonforme Drogenanamnese bzw. Suchtanamnese mit entsprechender Dokumentation erforderlich.

3. Fehlt es hieran, so gelten die vom Vertragsarzt abgerechneten Leistungen der Substitutionstherapie als nicht ordnungsgemäß erbracht. Sind die unrichtigen Angaben in den Behandlungsausweisen grob fahrlässig erfolgt, so geht das Honorarrisiko auf den Vertragsarzt über. Diesem obliegt es dann, die Richtigkeit seiner Abrechnungen nachzuweisen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auf 1.492,22 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit dem 16. Juni 1993 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung in C. zugelassen. In der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. September 2004 arbeitete er mit Dr. D. in einer hausärztlichen Praxis zusammen, die zumindest nach außen als Gemeinschaftspraxis auftrat. Vom 1. Oktober 2004 bis zum 2. Januar 2005 führte er eine hausärztliche Einzelpraxis. Seit dem 3. Januar 2005 betreibt er mit Frau E. F., die ebenfalls als hausärztliche Allgemeinärztin zugelassen ist, eine Gemeinschaftspraxis. Vom 5. März 1994 bis 31. März 2005 besaß der Antragsteller eine Genehmigung der Antragsgegnerin zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller zu Unrecht vergütetes Honorar für das Quartal IV/2004 in Höhe von 5.968,88 € zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen von Plausibilitätskontrollen seien Auffälligkeiten bei der Abrechnung von Substitutionsbehandlungen Drogen- bzw. Opiatabhängiger in der Praxis des Antragstellers festgestellt worden. Im Zuge des eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller im Rahmen der Substitutionsbehandlung Leistungen abgerechnet habe, die entweder nicht vollständig erbracht oder teilweise gar nicht durchgeführt worden seien. Aus seinen Beschuldigtenvernehmungen, zeugenschaftlichen Aussagen der Arzthelferinnen und den patientenbezogenen Einzelfallgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gehe hervor, dass zwingend einzuhaltende gesetzliche Vorgaben und bindende Richtlinien zur Substitutionsbehandlung nicht beachtet worden seien. Einleitenden Aufklärungs- und Dokumentationspflichten sowie eingehenden ärztlichen Untersuchungen sei der Antragsteller nur in wenigen Behandlungsfällen nachgekommen. Die Abgabe von Methadon an Patienten in Form von Rezepten oder Mitnahmedosen sei nicht zulässig, auch nicht an den Wochenenden oder vor Feiertagen. Nur in konkret definierten Ausnahmefällen dürfe als sog. "Take-home-Verordnung" ein spezielles Rezept für die bis zu sieben Tage benötigte Methadonmenge ausgehändigt werden. Entgegen diesen Bestimmungen sei der überwiegende Anteil des Methadons den Patienten in der Praxis für die Einnahme zu Hause mitgegeben worden. Die regelmäßige praktische Einnahme unter ärztlicher Aufsicht des Antragstellers oder des hierzu von ihm beauftragten Personals habe praktisch nicht stattgefunden. Ebenso wenig seien die regelmäßig erforderlichen Untersuchungen oder Urinkontrollen durchgeführt worden. Es seien vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht worden, so dass die Garantiefunktion der Sammelerklärung und damit die Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruchs entfalle. Daher sei die Antragsgegnerin berechtigt und verpflichtet, die Honorarbescheide aufzuheben und unter Streichung der Leistungen nach den Ziffern 202, 203, 204, 3860, 3861, 3862, 3864, 3865, 3866, 3867 und 3868 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) neu festzusetzen.

Gegen die Neufestsetzung erhob der Antragsteller am 27. März 2008 Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Rückforderungsbescheids. Aus dem Rückforderungsbescheid ergebe sich nicht, wie und in welchem Umfang die Fehlerhaftigkeit der Honorarabrechnung festgestellt worden sei. Der angefochtene Bescheid sei nicht ausreichend begründet worden. Zudem müsse ...

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