Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer. Minderheitsbeteiligung an der Muttergesellschaft. Fremdgeschäftsführer bei der Tochtergesellschaft. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Minderheitsbeteiligung an der Muttergesellschaft steht als solche der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Fremdgeschäftsführers bei der Tochtergesellschaft nicht entgegen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die in der Rechtsform einer GmbH geführte Klägerin wendet sich gegen die auf der Grundlage einer Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB IV erfolgte Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit ihres zu 1. beigeladenen Geschäftsführers im Zeitraum 2013 bis 2015.

Die Klägerin hatte bereits am 22. Januar 1990 einen Anstellungsvertrag mit dem Beigeladenen zu 1. abgeschlossen (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. I 43 ff. Verwaltungsvorgänge - VV -), wonach dieser als Geschäftsführer für ein (nachfolgend wiederholt der wirtschaftlichen Entwicklung angepasstes) Jahresgehalt von anfänglich 84.000 DM zuzüglich einer Tantieme in Höhe von 50 % des jeweiligen Gewinns der Gesellschaft tätig werden sollte. Ihm wurde ein bezahlter Jahresurlaub von 30 Tagen zugesprochen.

Diese geschäftsführende Tätigkeit übte der Beigeladene jedenfalls bis Ende 2015 aus, wobei er als Geschäftsführer in den Jahren 2013 bis 2015 zumindest ein Jahresbruttogehalt von jeweils 69.278,76 € erhalten hat (vgl. namentlich den entsprechenden Ausweis eines sozialversicherungspflichtigen Bruttogehalts in den Jahreslohnkonten der Klägerin, Bl. I 22 ff. VV, ergänzende Nachfragen des Senates in der Verfügung vom 25. Juni 2023 hat die Klägerin auch insoweit unbeantwortet gelassen; insbesondere hat sie von der aufgegebenen Vorlage der Gehaltsabrechnungen Abstand genommen).

Die Gesellschaftsverhältnisse der Klägerin stellen sich nach Aktenlage wie folgt dar (wobei die Klägerin auch insoweit die Aufklärungsverfügung des Senatsvorsitzenden vom 25. Juni 2023, mit der sie namentlich auch zur detaillierten Darlegung und Belegung des Geflechtes von Gesellschaften, an dem der Beigeladene zu 1. und seine Angehörigen beteiligt sind, unter Einschluss insbesondere auch der Klägerin und ihrer Muttergesellschaften aufgefordert worden ist, ganz überwiegend inhaltlich unbeantwortet gelassen hat):

Alleinige Gesellschafterin der Klägerin (vgl. zu den Einzelheiten ihres Gesellschaftsvertrages den Abdruck auf Bl. I 46 ff. Verwaltungsvorgänge - VV -) war bis 2013 die I. J. GmbH & Co. KG (vgl. Bl. I 53 VV). Diese Gesellschaft wird im Folgenden als KG bezeichnet.

Komplementärin dieser KG war seinerzeit die I. K. GmbH, deren Geschäftsführerin die Tochter des Beigeladenen zu 1. L. war. Die Tochter ist zugleich alleinige Gesellschafterin der I. K. GmbH (Bl. I 80 VV).

Kommanditisten der KG waren bis Juni 2012 der Beigeladene zu 1. mit einer Kommanditeinlage von 34.800 €, seine Tochter L. mit 100 € und sein Sohn Jens ebenfalls mit 100 € (Bl. I 70 VV).

Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages der KG (vgl. zu dessen Einzelheiten Bl. I 67 R ff. VV) ist die Komplementärin zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. In der Gesellschafterversammlung wird nach Kapitalanteilen abgestimmt, wobei jeweils 50 € eines Kapitalanteils eine Stimme gewähren. Die Komplementärin hat in der Gesellschafterversammlung kein Stimmrecht (vgl. § 6 des Vertrages).

Mit notarieller Erklärung vom 29. Juni 2012 meldeten die Komplementärin und die Kommanditisten zur Eintragung im Handelsregister eine Übertragung von Kommanditeinlagen „im Wege der Sonderrechtsnachfolge“ von dem Beigeladenen zu 1. auf seine Tochter im Umfang von 31.400 € und auf seinen Sohn im Umfang von 1.650 € an. Unter Berücksichtigung dieser Übertragung behielt der Beigeladene zu 1. nur noch einen Kommanditanteil in Höhe von 1.750 €, während nunmehr seine Tochter M. Anteile im Umfang 31.500 € und sein Sohn N. im Umfang von 1.750 € hielten (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. I 70 ff. VV).

Am 1. Juli 2012 unterzeichneten der Beigeladene zu 1. und seine beiden Kinder M. und N. eine privatschriftliche „Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern“ „bezogen auf die gemeinsamen Gesellschaften I. J. GmbH, I. O. GmbH, I. P. GmbH und I. GmbH“. Nach dieser Vereinbarung, welche nach ihrer Ziffer 3. unbefristet und unkündbar auf Lebenszeit abgeschlossen worden ist, waren die Vertragsschließenden sich einig („unabhängig, ob und wer gerade die Geschäftsführung an einer der Gesellschaften übernimmt“), „alle ihre Entscheidungen im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses nur einvernehmlich/einstimmig zu treffen und nicht über Mehrheitsverhältnisse ggfs. zu erzwingen“ (vgl. wegen der Einzelheiten Bl. 94 Gerichtsakte - GA -).

Am...

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