Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Einstellung der Zwangsvollstreckung. Hauptzollamt. Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Aufhebungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutz gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Zollverwaltung, wenn aus Gründen des materiellen Rechts der Vollstreckungstitel beseitigt werden soll.

2. Der voraussichtliche Rechtsanspruch auf Rücknahme eines Verwaltungsaktes gemäß §§ 44 Abs 1 S 1 SGB 10 ist ein Grund für die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 257 Abs 1 Nr 2 AO.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 11.Dezember 2007 wird aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, bis zur Entscheidung über den Antrag gem. § 44 SGB X über den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2004, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus diesem Bescheid durchzuführen.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, die die Antragsgegnerin aufgrund des bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides gegen den Antragsteller eingeleitet hat.

Der Antragsteller stand im fortlaufenden Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Nach Anhörung und mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2004 hob die Antragsgegnerin die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi im Zeitraum vom 11. September 2003 bis 30. April 2004 teilweise auf. Sie forderte die zu Unrecht gezahlten Leistungen zurück. Demnach war ein Betrag in Höhe von 1.322,83 € überzahlt worden. Zur Überzahlung sei es gekommen, weil der Kläger Änderungen in den persönlichen Verhältnissen nicht mitgeteilt habe. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -). Aus dem Aktenvermerk vom 10. August 2004 ergibt sich, dass der Kläger seine Heirat vom 9. August 2003 im Leistungsantrag vom 2. September 2003 der Beklagten mitgeteilt habe. Auch nach Aufforderung habe er die geänderte Lohnsteuerkarte 2003 vorgelegt. Dennoch seien versehentlich Leistungen nach der Leistungs-Gruppe „A“ anstelle derer der Leistungsgruppe „D“ weiterbewilligt worden. Da der Kläger den Fehler hätte erkennen können, sei die teilweise Aufhebung zu Recht erfolgt. Ein Verschulden könne dem Kläger jedoch nicht vorgeworfen werden. Mit Schreiben vom 10. August 2004 wurde dem Kläger die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten mitgeteilt. Zugleich wurde ihm mitgeteilt, dass er die Heirat am 9. August 2003 im Antragsformular vom 2. September 2003 ordnungsgemäß eingetragen und auch die geänderte Lohnsteuerkarte vorgelegt habe. Die eingetretene Überzahlung habe er nicht verschuldet. Die Antragsgegnerin bat das Versehen zu entschuldigen. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2004 bliebe hiervon jedoch unberührt.

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2004 ist bestandskräftig geworden. Die bestandskräftige Forderung wurde mittels Aufrechnung (wöchentlich 14,84 €) beglichen. Nach Beendigung der Aufrechnung erfolgte eine ratenweise Begleichung des verbliebenen Betrages (Ratenzahlung in Höhe von 10,00 € monatlich). Ab Januar 2007 erfolgten die monatlichen Zahlungen sporadisch, bzw. ab Mai 2007 nicht mehr. Die Restschuld wurde auf 682,02 € zuzüglich Vollstreckungskosten festgestellt, so dass das Hauptzollamt das Vollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller einleitete (Zahlungsaufforderung vom 27. November 2007).

Am 5. Dezember 2007 hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (SG) Braunschweig beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er die Rückzahlung eingestellt habe, weil er Kenntnis erlangt habe, dass eine Überzahlung, die durch einen Behördenfehler verursacht worden sei, nicht zurück zu erstatten sei. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Rückforderung unrechtmäßig sei. Der Kläger hat die Zahlungsaufforderung vom 27. November 2007 des Hauptzollamtes B. vorgelegt. Das SG Braunschweig hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2004 sei bindend geworden. Soweit der Antragsteller die Auffassung vertrete, dass dieser Bescheid rechtswidrig sei, müsse er einen Überprüfungsantrag bei der Antragsgegnerin stellen. Er könne nicht ohne weiteres die vereinbarten Ratenzahlungen einstellen. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er nicht in der Lage sei, die Raten zu zahlen; es sei ihm zuzumuten, ggf. eine Stundungsabrede mit der Antragsgegnerin zu treffen.

Der Kläger hat am 18. Dezember ...

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