Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen G. erhebliche Gehbehinderung. Gehvermögen. Zurücklegen einer Wegstrecke von zwei Kilometern in 30 Minuten. objektive Wegefähigkeit nicht entscheidend. Erfordernis einer spezifischen Gehbehinderung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. gehfähigkeitsbezogener GdB von 50. Gleichstellung. Regelbeispiele. Vergleichbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Entscheidung über die Feststellung des Merkzeichens G kann regelmäßig nicht vorrangig auf die Frage abgestellt werden, ob die zu beurteilende Person in der Lage ist, zwei Kilometer in 30 Minuten zurückzulegen.
Orientierungssatz
Liegen behinderungsbedingte Einschränkungen des Gehvermögens vor, die nicht bereits mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten sind, so sind nach dem Zusammenhang der VMG die beispielhaft genannten Fälle etwa der Versteifung des Hüftgelenks oder der Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung heranzuziehen (hier verneint).
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 13. September 2018 wird geändert, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, bei dem Kläger das Merkzeichen G festzustellen. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchs- und Klageverfahrens, für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die seitens des Sozialgerichts (SG) Osnabrück ausgesprochene Verpflichtung, bei dem Kläger das Merkzeichen G festzustellen.
Der 1961 geborene Kläger litt bereits seit Jahren unter Wirbelsäulenbeschwerden. Insoweit war bereits seit langer Zeit ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt. Nachfolgend erlitt der Kläger am 4. Dezember 2012 als Fahrer eines Pkw einen unverschuldeten Verkehrsunfall mit einem Geisterfahrer, bei dem der Kläger und seine als selbständige Physiotherapeutin tätige Ehefrau erheblich verletzt wurden; der Kläger selbst erlitt insbesondere eine Fraktur im Bereich des linken Fußes mit verbleibenden Folgeschäden. Im Juni 2013 wurde bei ihm zudem eine Hodenkrebserkrankung festgestellt. Eine ebenfalls bestehende psychische Gesundheitsstörung war zu dieser Zeit noch nicht diagnostiziert und ist erst im Rahmen der Begutachtungen im vorliegenden Rechtsstreit herausgearbeitet worden.
Am 10. Juli 2013 stellte der Kläger den Neufeststellungsantrag, der den Ausgangspunkt des hier vorliegenden Rechtsstreits bildet, u. a. gerichtet auf Feststellung des Merkzeichens G. Die bereits festgestellte Hodenkrebserkrankung erwähnte er erst in der Widerspruchsschrift vom 17. Dezember 2013, zuvor blieb sie dem Beklagten unbekannt. Aufgrund eines bei dem Verkehrsunfall erlittenen Mittelfußbruchs empfahl der Ärztliche Dienst des Beklagten zunächst die Feststellung eines Einzel-GdB von 20. Am 30. Oktober 2013 erfolgte eine weitere Operation der Fußfraktur. Mit Bescheid vom 11. November 2013 stellte der Beklagte den GdB des Klägers mit 40 neu fest, dies unter Zugrundelegung der Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Einzel-GdB von 30 und der Funktionseinschränkung aufgrund des Mittelfußbruchs mit Überlastung des linken Sprunggelenks mit einem Einzel-GdB von 20. Nach Mitteilung der Hodenkrebserkrankung im Widerspruchsverfahren wurde für diese seitens des Ärztlichen Dienstes ein Einzel-GdB von 50 empfohlen. Dies führte gemäß Teilabhilfebescheid vom 5. März 2014 zur Feststellung eines GdB von 60. Den nach Erlass des Teilabhilfebescheides noch verbliebenen Widerspruch - u. a. gerichtet auf die Feststellung des Merkzeichens G - wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 2014 zurück.
Der Kläger hat am 25. April 2014 Klage erhoben. Er hat ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen vom 21. Mai 2014 - Dr. J. - vorgelegt. Dort ist zum Unfall ausgeführt, neben der Fußfraktur sei es auch zu Rippenserienfrakturen, Schulterfrakturen und Ellenbogenfrakturen gekommen. Die Verletzungen im Bereich der oberen Extremitäten seien ausgeheilt, im Fußbereich hätten sich die anfänglichen Schmerzen im Bereich des Vorfußes mehr in den Bereich des oberen Sprunggelenkes hingezogen. Der Kläger gebe eine Gehstrecke von ca. 200 bis 300 Metern in fünf Minuten an, dann komme es zu starken Schmerzen, die ihn am Weitergehen hinderten.
Das SG Osnabrück hat ein Sachverständigengutachten der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie spezielle Schmerztherapie Dr. K. eingeholt, das diese unter dem 30. Juli 2015 erstattet hat. Auch dort hat der Kläger berichtet, im Vordergrund stünden Schmerzen im Bereich des linken Fußes. Zunächst habe er ständig Schmerzen im linken Fuß gehabt, am 30. Oktober 2013 sei eine Versteifung im Bereich des Fußes durchgeführt worden. Er habe dann im weiteren Verlauf zunehmend Schmerzen im Fuß bekommen, nach zehn Minuten Gehen nehme der Schmerz zu. Die Sachverständige hat ausgeführt, im Rahmen der Gewichtskontrolle sei es dem Kläger möglich gewesen, einen We...