Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr. ausreichendes eigenes Einkommen. Anspruch des nicht getrennt lebenden Ehegatten auf Leistungen der Grundsicherung. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Ein schwerbehinderter Mensch, der über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt, hat dennoch einen Anspruch auf Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke gem § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB 9, wenn seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten unter Berücksichtigung beider Einkommen Leistungen der Grundsicherung gem §§ 41ff SGB 12 gewährt werden. Das Tatbestandsmerkmal "erhalten" in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB 9 ist nach Sinn und Zweck dieser Regelung und auch im Lichte von Art 3 Abs 1 und 6 GG entsprechend auszulegen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 16. Juli 2004 sowie der Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2004 aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der schwerbehinderte Kläger begehrt von dem Beklagten, ihm unentgeltlich eine Wertmarke für die kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs auszuhändigen.
Das Versorgungsamt Oldenburg hat bei dem am 20. September 1932 geborenen Kläger mit Bescheid vom 16. Februar 1999 rückwirkend ab dem 15. Januar 1998 einen Gesamt-GdB von 100 sowie die Merkzeichen “G„, “B„ und “aG„ festgestellt. Seine am 8. November 1939 geborene Ehefrau, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ist ebenfalls schwerbehindert.
Der Kläger, der seit Jahren eine Altersrente bezieht, die ab Juli 2005 632,00 € monatlich betrug, beantragte bereits im Dezember 2003 bei dem Beklagten, ihm - wie in früheren Jahren (zuletzt von Februar 2003 bis Januar 2004) - ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) auszustellen. Er fügte einen an ihn gerichteten Bescheid des Landkreises Aurich vom 5. November 2003 über laufende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) bei, nach dessen Wortlaut die Höhe der Grundsicherungsleistung für den Kläger selbst und seine Ehefrau neu berechnet und ab August 2003 auf 358,18 € festgesetzt wurde.
Seit 2005 gewährt der Landkreis Aurich nach dem Wortlaut der Bescheide nunmehr der Ehefrau unter Anrechnung der Rente des Klägers laufende Leistungen der Grundsicherung, während ein vom Kläger selbst gleichzeitig gestellter Antrag mit Bescheid vom 13. Januar 2005 unter Hinweis auf sein Einkommen abgelehnt wurde. Nach dem aktuellen Grundsicherungsbescheid des Landkreises Aurich vom 3. Juli 2006 werden der Ehefrau des Klägers ab Juni 2006 laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von monatlich 401,30 Euro gewährt, wobei in der als Anlage dem Bescheid beigefügten Bedarfsberechnung - wie in den früheren Grundsicherungsbescheiden - der Kläger selbst mit seiner Bankverbindung als der “Empfänger„ angegeben ist, dem der Zahlbetrag “zugeordnet„ wird.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2004 lehnte das für den Beklagten handelnde Versorgungsamt Oldenburg dessen Antrag mit der Begründung ab, dass für schwerbehinderte Menschen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) oder dem GSiG erhielten, ein Beiblatt nur dann mit einer kostenlosen Wertmarke auszustellen sei, wenn der Anspruch nach dem BSHG oder GSiG allein aufgrund der Höhe ihres eigenen Einkommens/Vermögens begründet sei (originärer Anspruch). Der Kläger gehöre nicht zu einer dieser Personengruppen. Dies ergebe sich aus der beim zuständigen Grundsicherungsträger, Landkreis Aurich, eingeholten “Horizontalberechnung„ für Dezember 2003.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass seine Altersrente ihm nicht alleine zur Verfügung stehe, sondern zusammen mit den (ergänzenden) Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz den gemeinsamen Lebensunterhalt für ihn und seine Ehefrau sicherstelle. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2004 zurück und verwies in der Begründung darauf, dass sich nach den vorliegenden Bescheiden des Landkreises Aurich für den Kläger kein Zahlbetrag an laufender Hilfe zum Lebensunterhalt errechne, da dessen Renteneinkünfte seinen Bedarf überstiegen. Der Kläger habe daher keinen eigenen (originären) Anspruch auf die Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt werde nur aufgrund der bestehenden Bedarfsgemeinschaft mit der Ehefrau gewährt. Die Voraussetzungen für die Ausstellung d...