Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Schwerhörigkeit. digitales Hörgerät. Leistungspflicht. Zuständigkeit
Orientierungssatz
Zur Zuständigkeit der Kostenübernahme eines digitalen Hörgerätes - hier bei einem stark Schwerhörigen, der als Lagerarbeiter und Gabelstaplerfahrer tätig ist - durch die gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung.
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. April 2005 geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2003 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf Erstattung der Kosten digitaler Hörgeräte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger drei Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte hat dem Kläger drei Viertel seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Kosten digitaler Hörgeräte zu erstatten.
Der 1957 geborene Kläger ist seit seiner Geburt schwerhörig und wird seit seinem 9. Lebensjahr mit Hörgeräten versorgt. Er ist seit 1973 als Lagerarbeiter bei der Firma S in G beschäftigt. Er führt innerhalb der Lagerhalle Transporte mit dem Gabelstapler durch und ist auch im Bereich der Warenausgabe und -annahme eingesetzt. Alle Transportwege sind frequentiert und erfordern Aufmerksamkeit sowie das Wahrnehmen von Warnsignalen und Fahrgeräuschen.
Nachdem der behandelnde HNO-Arzt Dr. W Anfang November 2002 eine an Taubheit grenzende Schallempfindungs-Schwerhörigkeit beidseits diagnostiziert und dem Kläger mit der Begründung, die Leistung der bisherigen (analogen) Geräte sei unzureichend, neue Hörgeräte verordnet hatte, beantragte der Kläger Ende November 2002 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für digitale Hörgeräte als Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. Dezember 2002 mit der Begründung ab, solche Hörgeräte seien nicht förderungsfähig, da sie neben dem Einsatz am Arbeitsplatz auch einer verbesserten Hörfähigkeit im Alltag dienten. Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die - ihm inzwischen gelieferten und mit 2.800,00 € (3.715,00 € abzüglich 915,00 € Krankenkassen-Anteil) in Rechnung gestellten - digitalen Hörgeräte (zwei Hinter-dem-Ohr Geräte) ermöglichten ihm erst die Ausübung seines Berufs. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme der Betriebsärztin Dr. B vom 20. Februar 2003 ein, in der das Tragen der digitalen Hörgeräte mit verbesserter Hörfähigkeit als eine den Arbeitsplatz sichernde Maßnahme angesehen wurde. Am 21. Februar 2003 ließ die Beklagte den Arbeitsplatz des Klägers besichtigen; wegen des Ergebnisses der Besichtigung wird auf den darüber angefertigten Vermerk vom gleichen Tag verwiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. November 1997, Az.: L 8 AR 428/96, wiederum aus, dass Hilfsmittel, die auch unabhängig vom Beruf den Gesundheitsbedürfnissen des menschlichen Lebens dienten oder für jede Form der Berufsausübung erforderlich seien, nicht förderungsfähig seien.
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Hildesheim Klage erhoben, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der ihm durch die Versorgung mit den digitalen Hörgeräten entstandenen Kosten begehrt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, mit den neuen Hörgeräten könne er den Anforderungen, die sein Arbeitsplatz an das Hörvermögen stelle, wesentlich besser gerecht werden. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei die Versorgung mit den digitalen Hörgeräten als Arbeitsplatz sichernde Maßnahme anzusehen. Im privaten Bereich sei er mit den alten Analoggeräten noch zurechtgekommen. Die berufliche Situation sei ausschlaggebend für die Anschaffung der digitalen Geräte gewesen. Inzwischen habe seine Schwerhörigkeit auch weiter zugenommen, sodass sie jetzt zu einem Grad der Behinderung nach dem SGB IX von 80 geführt habe. Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr. W vom 2. Oktober 2003 eingeholt.
Mit Urteil vom 13. April 2005 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Kosten für der digitalen Hörgeräte abzüglich des von der Krankenkasse übernommenen Anteils zu erstatten. Der Kläger habe gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 SGB IX Anspr...