Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Celle-Bremen vom 08.06.2016- L 3 KA 6/13, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. November 2012 geändert

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 14.801 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Honorarberichtigung und -rückforderung für das Quartal IV/2000.

Er ist seit April 1992 als Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A. zugelassen. Zu Beginn seiner vertragsärztlichen Tätigkeit vereinbarte er mit der Ärztin für Urologie Dipl.-Med. R. (früherer Name: S., dass er ihr für jeden an ihn ausgestellten Überweisungsauftrag zu Laboruntersuchungen einen Betrag iHv 0,50 DM zahlen werde. Diese Zahlungen leistete der Kläger auch in den Quartalen I/1998 bis III/2000. Die in diesem Zeitraum vom Kläger bearbeiteten Laboraufträge stammten in erheblichem Umfang von Dipl.-Med. R.. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) zahlte dem Kläger im genannten Zeitraum vertragsärztliches Honorar iHv insgesamt 9.598.398,63 DM.

Nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Abrechnungsprüfung festgestellt hatte, dass die Dipl.- Med. R. ihr sog Laborbudget (Wirtschaftlichkeitsbonus nach Nr 3452 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen ≪EBM≫ in der seit 1. Juli 1999 geltenden Fassung) für eigene und erbrachte Laborleistungen im 3. Quartal 1999 um fast 3.000% überschritten hatte, fand am 20. September 2000 im Ärztehaus A. eine Besprechung von zwei Mitarbeitern der Beklagten und der Dipl.-Med. R. statt. Nach einem vom stellvertretenden Abrechnungsleiter der Bezirksstelle A. der Beklagten H. abgefassten Protokoll vom 21. September 2000 habe die Urologin im Verlauf des Gespräches nach anfänglichem Bestreiten die Zahlung von 0,50 DM pro Überweisung eingeräumt. Auf Initiative der Beklagten leitete die Staatsanwaltschaft A. daraufhin Ermittlungen gegen den Kläger und gegen die Urologin R. ein, die zum Urteil des Amtsgerichts (AG) Aurich vom 25. Juni 2007 (Az:) führten, durch das der Kläger wegen Betruges in drei Fällen und die Dipl.-Med. R. wegen Betruges in Tateinheit mit Untreue in 6.904 Fällen zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt wurden. In dem Urteil war ua ausgeführt, dass der Kläger der Urologin R. in den Quartalen I bis III/2000 insgesamt 10.357 DM gezahlt habe. Die von ihr veranlassten Laborleistungen hätten ihr im Quartal I/2000 bestehendes Laborbudget um 7.986,2% überschritten. Die vom Kläger in den Quartalen I bis III/2000 bezogenen Honorare seien zu 30,43%, 31,20% bzw zu 21,72% durch Überweisungen der Urologin R. veranlasst worden. Auf der Grundlage eines Gutachtens des Urologen Dr. A. schätzte das AG, dass 1/3 der von Dipl.-Med. R. erteilten Laboraufträge medizinisch nicht erforderlich gewesen seien. Diese habe ihre Laborleistungen ausnahmslos gerade beim Kläger veranlasst, der ihr ein Entgelt für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial gewährt habe. Dipl.-Med. R. gegenüber wurde das Urteil des AG Aurich rechtskräftig (vgl das abschließende Urteil des Oberlandesgerichts ≪OLG≫ Oldenburg vom 26. Januar 2009 - Ss 472/08 - juris). Das gegen den Kläger gerichtete Strafverfahren wurde nach Einlegung der Berufung gern § 153 Abs 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Beschluss des Landgerichts ≪LG≫ Aurich vom 10. Dezember 2008).

Nach Anhörung des Klägers (Schreiben der Beklagten vom 21. Juli 2008, Antwortschreiben vom 30. August 2008) hob die Beklagte ihre Honorarbescheide für das 1. Quartal 1998 bis zum 3. Quartal 2000 teilweise auf und setzte das Honorar des Klägers für diese Quartale neu auf insgesamt 9.021.344,18 DM fest. Der sich daraus ergebende Differenzbetrag von (umgerechnet) 295.043,27 Euro werde zurückgefordert. Die Honorarbescheide für die genannten Quartale beruhten auf falschen Angaben des Klägers und einer falschen Versicherung der Richtigkeit seiner Abrechnung in der Sammelerklärung. Als Folge der vom Kläger geleisteten Zahlungen iHv 0,50 DM pro Überweisungsauftrag habe zwischen ihm und Frau R. eine rechtswidrige Kooperationsform mit dem Ziel bestanden, einen persönlichen wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen. So sei in § 31 Berufsordnung (BO) ausdrücklich ausgeführt, dass es einem Arzt nicht gestattet sei, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Da der Bevollmächtigte des Klägers im Rahmen des Strafverfahrens ausdrücklich erklärt habe, Frau R. habe seit 1993 in vergleichbarem Umfang Laborüberweisungen getätigt, sei diese Vorgehensweise nicht auf die im Urteil des AG Aurich bezeichneten Quartale beschränkt gewesen. Die festgestellte rechtswidrige Abrechnung von Leistungen sei auch zumindest grob fahrlässig erfolgt. Die...

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