Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Schwerbehindertenrecht. GdB-Herabsetzung. Änderung der Verhältnisse. Besserung des Sehvermögens nach Augenoperation. Aufhebung des "falschen" Bescheids. Umdeutung des Aufhebungsbescheids
Leitsatz (amtlich)
1. Will die Behörde den GdB wegen einer eingetretenen Änderung in den Verhältnissen auf der Grundlage von § 48 SGB X herabsetzen, bedarf es der Aufhebung des Bescheides, mit dem die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt worden ist (vgl Senatsurteil vom 26.9.2018 - L 13 SB 89/16).
2. Hat die Behörde danach den "falschen" Bescheid aufgehoben, kommt eine Umdeutung des Aufhebungsbescheides nach § 43 SGB X in Betracht (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 26.09.2018 - L 13 SB 89/16).
Orientierungssatz
Auch die Sozialgerichte sind zur Vornahme einer Umdeutung eines Verwaltungsaktes befugt. Dabei ist eine vorherige Anhörung zur beabsichtigten Umdeutung erforderlich.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich eine Herabsetzung ihres Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30 aufgrund einer seitens des Beklagten angenommenen Besserung ihrer zwischenzeitlich operierten Augenerkrankung, die der Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft zugrunde liegt. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob der Beklagte die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin wirksam aufgehoben hat oder ob der angefochtene Bescheid deswegen keine Wirkung entfalten kann, weil in ihm der falsche Ausgangsbescheid aufgehoben wurde.
Bereits im Jahr 1983 stellte die 1955 geborene Klägerin aufgrund einer angeborenen starken Sehbehinderung, einer beidseitigen Netzhautdegeneration, erstmals den Antrag auf Feststellung einer Behinderung. Der GdB aufgrund ihres Augenleidens wurde zunächst mit 40 festgestellt. Aufgrund eines am 28. Dezember 2006 gestellten Neufeststellungsantrags befragte der Beklagte den Augenarzt Dr. J., der mitteilte, gemäß augenärztlichem Befund vom 8. Mai 2007 habe die Sehschärfe mit Korrektur auf dem rechten Auge 0,5 und auf dem linken Auge 0,05 betragen, dies bei deutlicher Einschränkung des Gesichtsfeldes. Daraufhin stellte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes - Dr. K. - mit Bescheid vom 6. September 2007 den GdB der Klägerin mit 50 fest.
Die Klägerin stellte zwischenzeitlich am 17. Mai 2011 einen Neufeststellungsantrag, den sie neben einer Verstärkung bestehender Wirbelsäulen- und Gelenkprobleme insbesondere mit einer Verschlimmerung ihres Augenleidens begründete. Am Tag der Antragstellung hatte sie ihren Augenarzt aufgesucht. Der seitens des Beklagten befragte Ärztliche Dienst - Dr. L. - teilte in seiner Stellungnahme mit, die Visusminderung bedinge einen GdB von 30. Aufgrund der Gesichtsfelder sei der GdB bereits günstig beurteilt. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung mit Bescheid vom 22. Juli 2011 ab.
Ohne dass dies zunächst zur Kenntnis des Beklagten gelangte, wurde am 6. September 2011 bei der Klägerin eine Katarakt-Operation am linken Auge durchgeführt, die eine Besserung ihres Sehvermögens zur Folge hatte.
Am 30. Dezember 2016 stellte die Klägerin den Folgeantrag, der Ausgangspunkt des hier anhängigen Rechtsstreits ist. Sie meinte, ihr Augenleiden habe sich erneut verstärkt. Dies führte sie im Einzelnen aus und legte zudem auch orthopädische Befundberichte vor. Dr. J. gab in einem Befundbericht vom 9. Januar 2017 die Sehschärfe auf dem rechten Auge mit 0,4 und auf dem linken Auge mit 0,63 an. Der Orthopäde Dr. M. berichtete unter dem 11. Januar 2017 über die Rückenbeschwerden der Klägerin, die in das rechte Bein ausstrahlten; der Finger-Boden-Abstand betrug im klinischen Befund 0 cm. Eine zudem bestehende Fuß- und Zehenfehlform bewertete der Ärztliche Dienst des Beklagten - Dr. K. - ebenso wie die Funktionsstörung und Fehlhaltung der Wirbelsäule jeweils mit einem Einzel-GdB von 10, während der Einzel-GdB hinsichtlich der Behinderung „Sehbehinderung beidseits, Kunstlinsenimplantation links“ nunmehr lediglich noch 30 betrage. Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Absenkung des GdB an. Die Klägerin führte hierzu aus, sie leide an einer kontinuierlich fortschreitenden Makuladegeneration mit hauptsächlicher Problematik im hinteren Augenabschnitt. Aufgrund der absterbenden Sehzellen der Makula bestehe nur noch ein mühsames randständiges und unscharfes Sehen. Hinzu komme ein stark eingeschränktes Gesichtsfeld, wegen eines Schielauges sei beidäugiges Sehen nicht möglich, das Sehen anderer Personen und das Kontrastsehen seien massiv eingeschränkt. Eine Herabsetzung des GdB auf nur noch 30 sei nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte holte einen erneuten Befundbericht des Dr. J. ein, der den Visus nunmehr gemäß Befund aus März 2017 mit rechts 0,25 und links 0,6 angab. Der Ärztliche Dien...