Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Steuerberater, der nach Veräußerung seiner Anteile an der Beratungsgesellschaft weiterhin für diese arbeitet. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Arbeitet ein Steuerberater nach Veräußerung seiner Anteile an der Beratungsgesellschaft weiterhin für diese, dann ist für die Folgezeit der statusrechtlichen Beurteilung die Mitarbeit in einem für ihn fremden Unternehmen zu Grunde zu legen.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, §§ 8, 24 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; SGB X § 50; BGB § 665; GewO § 106
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 15. Juni 2022 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Aufhebung eines Beitragsnacherhebungsbescheides.
Die in der Rechtsform einer Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung im Sinne des PartGG geführte Klägerin hat mit ihrer Klage den Beitragsnacherhebungsbescheid des beklagten Rentenversicherungsträgers angegriffen, mit dem dieser für die Mitarbeit des zu 1. beigeladenen am 25. Juli 1948 geborenen Steuerberaters in der Sozietät der Klägerin in den Jahren 2014 bis 2015 Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (einschließlich Umlagen U1, U2 und UI) in einer Gesamthöhe von 23.618,10 € (einschließlich 3.856,50 € Säumniszuschläge) festgesetzt hat.
Der Beigeladene zu 1. hatte sich bis Ende 2013 mit seinem ebenfalls den Beruf eines Steuerberaters ausübenden Sohn N. zu einer Steuerberatersozietät verbunden mit einer Landwirtschaftlichen Buchstelle zusammengeschlossen, nachdem er zuvor in früheren Jahren das Steuerberatungsunternehmen allein geführt und aufgebaut hatte.
Mit Datum vom 1. Januar 2014 schlossen der Sohn und der zuvor bei der Sozietät beschäftigte Steuerberater O. einen Vertrag über die Gründung der Klägerin (Bl. 2 ff. VV), wobei der Sohn mit 75 % und der Partner P. mit 25 % an der Klägerin beteiligt war.
In diese neue Partnerschaft wurde das Unternehmen der vormaligen Sozietät des Beigeladenen zu 1. mit seinem Sohn eingebracht, wobei der Beigeladene zu 1. seine Gesellschaftsanteile an die neuen Gesellschafter zum Jahreswechsel 2013/14 veräußerte, so dass er an der neu gegründeten die alte Sozietät übernehmenden Partnerschaft nicht mehr beteiligt war.
Beide Partner der neuen Partnerschaft sind zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet. In der Partnerschaftsversammlung werden Beschlüsse nach § 11 des Vertrages einstimmig gefasst.
Der Beigeladene zu 1. war zwar nicht als Partner an der neuen Partnerschaft beteiligt, er hat aber für diese in den Jahren 2014 und 2015 auf der Grundlage mündlicher Absprachen weiterhin gearbeitet, und zwar nach eigenen Angaben im Umfang von etwa der Hälfte der bis Ende 2013 aufgewandten Arbeitszeit.
In den Jahren 2014 und 2015 bestand die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin insbesondere darin, dass er die schon zuvor von ihm persönlich betreuten Kunden weiterhin wie gewohnt bei entsprechendem Anlass aufsuchte, um deren Probleme insbesondere in steuerrechtlicher Hinsicht und im Zusammenhang mit Buchführungsaufgaben und der Erstellung von Jahresabschlüssen vor Ort zu klären. Entsprechend den geschäftlichen Gepflogenheiten des Steuerberaterbüros wurden bei entsprechenden Vorsprachen auch neue insbesondere im Rahmen der von dem Büro übernommenen buchführenden Tätigkeit auszuwertende Unterlagen für das Rechnungswesen abgeholt und bereits ausgewertete Unterlagen zurückgegeben; es erfolgte also ein Austausch von geschäftlichen Unterlagen, wie er in anderen steuerberatenden Unternehmen eher auf dem Postweg erfolgt.
Anders als in den Jahren bis 2013 suchte der Beigeladene zu 1. die Kunden in den Jahren 2014 und 2015 üblicherweise nicht allein auf. Vielmehr wurde er von einem abhängig beschäftigten Mitarbeiter (bzw. einer abhängig beschäftigten Mitarbeiterin) der Klägerin begleitet, damit diese/r mit der spezifischen Situation des jeweiligen Kunden vertraut wurde, um die bisherigen Aufgaben des Beigeladenen zu 1. künftig übernehmen zu können.
Auch außerhalb der angesprochenen Mandantenbesuche war der Beigeladene zu 1. noch beratend für die Kunden der Klägerin in den Jahren 2014 und 2015 tätig, namentlich, wenn sich im Zuge von Betriebsprüfungen oder im Zusammenhang mit einer Unternehmensnachfolge, der Entwicklung von Unternehmensstrategien, der Lösung von Streitigkeiten oder im Zuge von Verhandlung mit Banken ein entsprechender Unterstützungsbedarf ergeben hatte.
Die Leistungen des Beigeladenen zu 1. in den Jahren 2014 und 2015 wurden von der Klägerin - vielfach verbunden mit der Abrechnung weiterer von ihr für den jeweiligen Mandanten erbrachten Leistungen - abgerechnet. Es bestanden seinerzeit...