Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Versicherungspflicht eines Tätowierers. Künstlereigenschaft
Leitsatz (amtlich)
Zur Künstlereigenschaft eines Tätowierers nach § 2 S 1 KSVG.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8.Oktober 2002 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Versicherungspflicht für seine Tätigkeit als Tätowierer nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Der 1953 geborene Kläger hat den Beruf des grafischen Zeichners erlernt. Ab 1994 war er nebenberuflich als Tätowierer tätig. Seit April 2001 übt er diese Tätigkeit als Hauptberuf selbstständig aus. Auf seinen Antrag stellte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2001 fest, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. Seine Tätigkeit als Tätowierer sei nicht künstlerisch im Sinne des Gesetzes.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Er ist der Ansicht, er übe eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des KSVG aus. Er unterbreite seinen Kunden unter Berücksichtigung ihrer individuellen Persönlichkeit Vorschläge zur farblichen Gestaltung ihres Körpers. Die Motive entwickle und entwerfe er völlig frei. Auf Grund seines erlernten Berufes als grafischer Zeichner sei er dazu in der Lage. Er verarbeite ausschließlich Eigenentwürfe und arbeite deshalb nicht anders als ein Maler oder Bildhauer.
Mit Urteil vom 8. Oktober 2002 hat das SG der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Kläger der Versicherungspflicht nach den Bestimmungen des KSVG unterliege. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger künstlerisch tätig sei. Für die Bewertung als künstlerische Leistung komme es darauf an, ob über eine rein technisch-manuelle Gestaltung hinausgehende schöpferische Leistung entfaltet werde. Dies sei beim Kläger der Fall. Er verarbeite ausschließlich Eigenentwürfe und fertige jeden Entwurf individuell für den Kunden an. Dass er dabei die Wünsche des Kunden berücksichtige, sei selbstverständlich und stehe der Annahme einer eigenschöpferischen Leistung nicht entgegen. Seine Tätigkeit unterscheide sich von der eines Malers oder Bildhauers nicht. Auch nach einem nachvollziehbaren, allgemein gültigen Abgrenzungsmaßstab sei der Kläger als Künstler zu betrachten. Unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des KSVG könne ein zutreffender Abgrenzungsmaßstab nur darin gefunden werden, dass der Schaffende mit seinen Werken zumindest in einschlägigen Fachkreisen als “Künstler" anerkannt und behandelt werde. Hierfür sei bei Vertretern der bildenden Kunst vor allem maßgebend, ob der Betroffene an Kunstausstellungen teilnehme, Mitglied von Künstlervereinen sei, in Künstlerlexika aufgeführt werde, Auszeichnungen als Künstler erhalten habe oder andere Indizien auf eine derartige Anerkennung schließen lassen würden. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei der Kläger zwar nicht als Künstler “anerkannt". Dies liege jedoch daran, dass es derartige Fachkreise für Tätowierer nicht gebe. Ein “Künstlerverein" für Tätowierer existiere nicht. Ausstellungen in diesem Bereich fänden nicht statt. Die Tatsache, dass dem Kläger diese “Anerkennung" als Künstler durch einschlägige Fachkreise fehle, stehe der Begründetheit der Klage in diesem Fall ausnahmsweise nicht entgegen.
Gegen das der Beklagten am 18. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat diese Berufung eingelegt, die am 14. November 2002 beim Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) eingegangen ist.
Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, dass der Kläger nicht als Künstler betrachtet werden könne. Es seien in der Vergangenheit unterschiedliche Urteile zur Berufsgruppe der Tätowierer ergangen. Eine Qualifizierung der Tätowierer als Künstler komme jedoch nicht in Betracht. Die Anerkennung in Fachkreisen beziehe sich entgegen den Ausführungen im Urteil des SG nicht auf Fachkreise der Tätowierer, sondern auf Künstler im Allgemeinen. Es reiche eine Anerkennung im spezifischen Arbeitsbereich der Tätowierer gerade nicht aus. Selbst wenn der Kläger in diesen Kreisen als hervorragender Tätowierer anerkannt sei, sei dies nicht maßgeblich für die Zuordnung als Künstler iS von § 2 KSVG. Es komme vielmehr auf die Frage an, ob der Betreffende in den Fachkreisen der bildenden Künstler im Allgemeinen als gleichwertig und ebenbürtig anerkannt sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit seinen Arbeiten Anerkennung über den eigenen Kundenkreis und über die Szene der Tätowierer hinaus erzielt habe, lägen nicht vor. Soweit vorgetragen werde, dass der Kläger nur an Hand selbst angefertigter Schablonen arbeite und die individuellen Wünsche der Kunden in jedem Einzelfall berücksichtige, begründe dies nicht seine Künstlereigenschaft. Mit einer solchen Arbeitsweise hebe sich der Kläger zwar möglicherweise...