Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Nichtbescheidung eines Widerspruchs gegen eine vorläufige Leistungsbewilligung binnen drei Monaten. Fehlen eines zureichenden Grundes. abschließende Entscheidung wegen fehlender Mitwirkung nicht möglich. Bescheidung des Widerspruchs dennoch möglich. Kostenentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsträger darf eine Untätigkeit nicht damit rechtfertigen, dass der Antragsteller möglicherweise seinen Mitwirkungspflichten iS der §§ 60 ff SGB 1 nicht nachgekommen ist. Ggf muss der Leistungsträger nach § 66 SGB 1 vorgehen. Auch im Falle der zunächst vorläufigen Leistungsbewilligung gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn hier besteht die Möglichkeit, den Widerspruch mit der Begründung zurückzuweisen, eine endgültige Entscheidung sei weiterhin wegen unzureichender Erkenntnisgrundlage nicht möglich.
2. Dass nach der Rechtsprechung des Senats bereits eine unterbliebene Widerspruchsbegründung eine Klage mutwillig erscheinen lässt, ist allein vor dem Hintergrund der Kostenlastentscheidung zu sehen. Hieraus, oder aus dem Umstand mangelhafter Mitwirkung, folgt keine Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Untätigkeitsklage; indes haben diese Erwägungen maßgeblichen Einfluss auf die Kostenentscheidung nach § 193 SGG.
Normenkette
SGB I § 60 ff., § 66; SGG § 88 Abs. 2, § 193; SGB II § 40 Abs. 2 Nr. 1; SGB III § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 31. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage, mit welcher die Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Bescheidung eines Widerspruchs vom 28. Oktober 2010 begehren.
Die Kläger sind eine in gemeinsamem Haushalt und mithin in Bedarfsgemeinschaft lebende Familie, bestehend aus dem 1965 geborenen Kläger zu 1., der 1979 geborenen Klägerin zu 2. und zwei 2007 und 2008 geborenen Kindern, den Klägern zu 3. und 4.; sie standen bereits zuvor im Leistungsbezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Der Beklagte bewilligte den Klägern aufgrund eines am 31. August 2010 gestellten Antrages mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 Leistungen für den Zeitraum vom 31. August 2010 bis zum 31. Januar 2011. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig, mit der Begründung, die Einkommensverhältnisse seien noch nicht geklärt; der Kläger zu 1. hatte zu Beginn des Bewilligungszeitraums im Betrieb M. geringfügig gearbeitet, und ab November 2010, während des laufenden Bewilligungszeitraums, begann er eine neue Beschäftigung bei der N..
Die Kläger legten gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2010, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, am 28. Oktober 2010 Widerspruch ein. Sie meinten, es werde in diesem Bescheid für die Zeit ab Oktober 2010 zu Unrecht ein Einkommen von monatlich 128,00 € berücksichtigt. Letztmalig habe der Kläger zu 1. aus seiner beendeten geringfügigen Tätigkeit im Betrieb M. eine Gehaltszahlung Ende September 2010 erhalten, und zwar in einer Größenordnung von 50,00 bis 60,00 € in bar.
Mit Bescheid vom 17. November 2010 erfolgte die endgültige Leistungsbewilligung für den Monat September 2010; im Übrigen bat die Rechtsvorgängerin des Beklagten um eine Einkommensbescheinigung in Bezug auf die am 8. November 2010 neu aufgenommene Tätigkeit bei der N. und erbat ferner die Vorlage von Verdienstabrechnungen der Firma M. sowie einen Nachweis über die Beendigung der Beschäftigung. Mit Datum vom 24. November 2010 erinnerte sie an die Erledigung. Eine Antwort erhielt sie nicht.
Unter dem 6. Januar 2011 forderte der Beklagte von den Arbeitgebern M. und N. Arbeitsbescheinigungen an, die am 27. Januar 2011 sowie am 9. Februar 2011 beim Beklagten eingingen. Am 31. Januar 2011 teilte der Kläger zu 1. telefonisch dem Beklagten mit, er sei weiterhin in Arbeit, und er verzichte auf Leistungen.
Seitens des Beklagten wurde alsdann festgestellt, dass sich aus den Verdienstbescheinigungen Abschlags- bzw. Vorschusszahlungen ergaben und daher Kontoauszüge angefordert werden müssten, denn für die Leistungsberechnung sei der exakte Zufluss der Arbeitseinkünfte wichtig. Unter dem 19. April 2011 forderte der Beklagte die Vorlage von Kontoauszügen an. Erst mit Schreiben vom 8. August 2011 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Kläger Kontoauszüge; diese waren indes nicht ohne weiteres übersichtlich, und es fehlte der vollständige Monat Oktober 2010 sowie der Zeitraum vom 18. bis 31. Januar 2011. Dementsprechend forderte der Beklagte ergänzende Unterlagen an. Der Beklagte fragte bei den Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 2. November 2011 ferner an, wann die durch den Arbeitgeber M. bescheinigten Zahlungen für Juli bis September 2010 zur Auszahlung gekommen seien. Insoweit war aus den Kontoauszügen kein Erkenntnisgewinn m...