Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifikationsgruppeneinstufung. polnische Beitragszeit als "Jüngerer Bergmann unter Tage". langjährige Berufserfahrung. Qualifikationsniveau
Leitsatz (amtlich)
Die in Polen zugesprochene Qualifikation eines "Jüngeren Bergmannes unter Tage" (mlodszy gornik) ist nach Maßgabe der Anlage 13 zum SGB 6 als Qualifizierung entsprechend einer Facharbeiterausbildung iS der Qualifikationsgruppe 4 zu bewerten.
Orientierungssatz
Die Ausbildung zum Meister wurde in Polen als "mittlere Berufsausbildung" gewertet. Unterhalb dieser Ebene waren - jeweils in abgestufter Folge - die "Grundausbildung" (=Facharbeiterausbildung), die Anlernausbildung sowie die ungelernten Tätigkeiten angesiedelt (vgl BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 61/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr 2).
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 2. Mai 2000 wird aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1996 und des Änderungsbescheides vom 29. April 1998 wird geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger seit dem 01. Mai 1996 gewährte Altersrente mit der Maßgabe neu zu berechnen, dass die dem Grunde nach bereits berücksichtigten Versicherungszeiten im polnischen Bergbau vom 01. Januar 1966 bis zum 11. Juli 1978 nach Maßgabe der Qualifikationsgruppe 4 im Sinne der Anlagen 13 und 14 zum SGB VI bewertet werden.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die rentenrechtliche Bewertung von in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten.
Der 1936 in Polen geborene Kläger arbeitete dort zunächst von 1950 bis 1953 als Landarbeiter und nachfolgend bis zum 21. November 1960 als Arbeiter.
In der Folgezeit ab dem 16. Dezember 1960 bis zu seiner Ausreise in das Bundesgebiet im Sommer 1978 arbeitete der Kläger in der Steinkohlengrube "J. " in K.. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Steinkohlengrube "J. " vom 11. Juli 1973 war der Kläger in der Anfangszeit vom 16. Dezember 1960 bis zum 31. Dezember 1965 als ungelernter Arbeiter unter Tage und in den nachfolgenden Jahren vom 01. Januar 1966 bis zum 11. Juli 1978 als "Jüngerer Bergmann unter Tage" (" mlodszy górnik ") tätig. Der Höherstufung zum "Jüngeren Bergmann" war der Besuch eines sechsmonatigen Lehrgangs im Zeitraum von Juni bis Dezember 1965 vorausgegangenen, der in dem Steinkohlengrubenbetrieb an täglich jeweils zwei Stunden außerhalb der regulären Arbeitszeit durchgeführt wurde. Der Lehrgang endete mit einer vom Kläger erfolgreich bestandenen Abschlussprüfung.
Die reguläre Ausbildung zu einer bergmännischen Tätigkeit unter Tage erfolgte seinerzeit in Polen in der Form, dass die Absolventen der (anfangs siebenjährigen und später) achtjährigen Grundschule in betrieblichen Berufsfachschulen für Bergleute in einem Zeitraum von drei Jahren für den Beruf eines unter Tage tätigen Bergmanns ausgebildet wurden.
Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser dreijährigen Berufsfachschule wurde ein Absolvent zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit als "Jüngerer Bergmann" im Bergbau unter Tage eingesetzt. Nach einer mindestens sechsmonatigen Dienstzeit konnte die betriebliche Qualifikationskommission dem Absolventen die Qualifikation eines "Bergmanns unter Tage" zusprechen.
Neben dieser direkten Ausbildung bestand auch für ungelernte Bergbauarbeiter (mit abgeschlossener Grundschulausbildung) die Möglichkeit, die Qualifikationen zunächst eines "Jüngeren Bergmanns" und später eines "Bergmanns unter Tage" zu erwerben: Der Erwerb der Qualifikation eines "Jüngeren Bergmanns" setzte eine mindestens dreijährige Dienstzeit unter Tage und den erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden Weiterbildungskursus voraus. Nach mindestens zwei weiteren Jahren in der Tätigkeit eines "Jüngeren Bergmanns" kam in solchen Fällen der Erwerb der Qualifikation eines "Bergmanns unter Tage" in Betracht.
Seit dem 04. September 1978 hat der Kläger seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet; ihm ist ein Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge A ausgestellt worden.
Mit Bescheid vom 09. Mai 1996 in der Fassung des (dem Kläger am 31. Oktober 1996 zugestellten) Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1996 (geändert durch Bescheid vom 29. April 1998 wegen Wegfall einer Minderung durch Versorgungsausgleich) gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01. Mai 1996. Dabei bewertete sie die vorstehend aufgeführte Tätigkeit im Bergbau vom 16. Dezember 1960 bis zum 11. Juli 1978 einheitlich nach Maßgabe der Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 14 (Bereich 01) zum SGB VI (vgl. Anlage 10 des Rentenbescheides).
Mit der am 27. November 1996 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass seine Tätigkeit im polnischen Bergbau jedenfalls für den Zeitraum vom 17. Dezember 1970 bis zum 11. Juli 1978 der Qualifikationsgruppe IV der Anlage 14 zum SGB VI zuweisen sei.
Mit Urteil vom 02. Mai 2000, dem Kläger zugestellt am 14. August ...