Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Anspruch auf Abfindung einer Verletztenrente gem § 221a Abs 1 S 1 SGB 7. "Soll-Vorschrift". gebundene Verwaltungsentscheidung oder Ermessensentscheidung. atypischer Fall. Rechtsnatur. Sonderrechtsnachfolge. Vererbung. Fälligkeit. Entstehen des Anspruchs. Anwendung des § 40 Abs 2 SGB 1. Analogie
Orientierungssatz
1. Bei so genannten "Soll-Vorschriften" (hier: Abfindung einer Verletztenrente gem § 221a Abs 1 S 1 SGB 7) ist hinsichtlich der Frage des Entstehungszeitpunktes des Leistungsanspruchs § 40 Abs 2 SGB 1 und nicht § 40 Abs 1 SGB 1 mit der Folge anzuwenden, dass die Entstehung der Leistung bzw deren Fälligkeit gem § 41 SGB 1 die Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung über die Leistung voraussetzt.
2. Zur Rechtsnatur von so genannten "Soll-Vorschriften".
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 19. August 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung eines Betrages in Höhe von 9.284,73 € durch die Beklagte, den sie von der Beklagten nach dem Tod ihres am 24. Januar 2008 verstorbenen Ehemannes G S (im Folgenden: der Versicherte) als Mitkontoinhaberin des Bankkontos des Versicherten erhalten hat.
Der Versicherte bezog von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Hannoverschen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 7. November 1988 eine Verletztenrente auf Basis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H., die zuletzt monatlich 119,04 € betrug. Mit Schreiben vom 29. November 2007 berichtete die Beklagte dem Versicherten von einer geplanten Abfindungsaktion und einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung, wonach er gemäß einer Modellrechnung eine Abfindung in Höhe von 9.284,73 € erhalten würde. Die Teilnahme sei freiwillig und setze einen entsprechenden Antrag voraus, ein Formular hierfür sandte die Beklagte dem Versicherten mit. Dieser stellte mit Datum vom 12. Dezember 2007 den entsprechenden Antrag, der am 14. Dezember 2007 bei der Beklagten einging.
Mit einem Bescheid, der das Datum vom 15. Januar 2008 trug, teilte die Beklagte dem Versicherten mit, aufgrund seines Antrags werde seine Rente mit einer Abfindungssumme in Höhe von 9.284,73 € abgefunden. Diese werde ihm zum Monatsende auf das von ihm angegebene Konto überwiesen, mit Ablauf des Monats Januar 2008 ende die monatliche Auszahlung seiner Rente. Der Bescheid wurde zunächst nicht abgesandt, sondern die Bescheide über die besondere Abfindung der Verletztenrenten wurden zentral am 28. Januar 2008 versandt.
Zwischenzeitlich, ... 2008, verstarb der Versicherte. Der von der Beklagten überwiesene Abfindungsbetrag wurde dem vom Versicherten angegebenen Konto gutgeschrieben, dessen Inhaberin außer ihm selbst auch die Klägerin gewesen war, die das Konto nach seinem Tode allein fortführte.
Nachdem die Beklagte die Klägerin bereits mit Schreiben vom 31. Januar 2008 um Rücküberweisung der Abfindungssumme gebeten hatte, erließ sie am 21. Februar 2008 einen förmlichen Rückforderungsbescheid und stellte fest, die Klägerin sei als Witwe des Versicherten und Kontoinhaberin des Kontos verpflichtet, den zu Unrecht erhaltenen Betrag von insgesamt 9.284,72 € zu erstatten. Die Forderung sei sofort fällig. Zur Begründung führte sie aus, dem Antrag auf Abfindung gemäß § 221 a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei durch Bescheid vom 15. Januar 2008, abgesandt am 28. Januar 2008, zugestimmt worden. Da der Versicherte jedoch bereits am 24. Januar 2008 verstorben sei, habe ihm dieser Bescheid gemäß § 37 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht bekannt gegeben werden können, so dass er nicht wirksam geworden sei. Nach § 39 Abs. 1 SGB X werde ein Verwaltungsakt demjenigen gegenüber, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, in dem Zeitpunkt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Der Anspruch auf Abfindung entstehe, wenn gemäß § 40 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben worden sei. Ohne eine solche Bekanntgabe an den Versicherten selbst hätten die Erben eines verstorbenen Versicherten keinen Anspruch auf Zahlung der Abfindung erworben. Ein Anspruch erlösche, sofern er noch nicht rechtswirksam festgestellt sei, also der Bescheid dem Berechtigten noch nicht bekannt gegeben worden sei. Der Abfindungsbetrag von 9.284,73 € sei von der Klägerin als Mitkontoinhaberin nach Maßgabe der Bestimmungen des § 50 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 2 SGB I zurückzuerstatten.
Die Klägerin wandte sich zunächst gegen das Rücküberweisungsbegehren der Beklagten aus dem Schreiben vom 31. Januar 2008. Ihre seinerzeitigen Verfahrens- und späteren Prozessbevollmächtigten begründeten dies mit Schreiben an die Beklagte vom 22. Februar 2008 damit, gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstünden Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder aufgru...