Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Pflegekind. Haushaltsaufnahme. Anspruchsbeginn erst ab Zeitpunkt der Adoptionspflege. Antragsfrist
Leitsatz (amtlich)
Erst bei Begründung eines Adoptionspflegeverhältnisses bringt die Aufnahme eines Kindes in den Haushalt der Pflegeeltern verlässlich das Ziel seiner Annahme als eigenes Kind zum Ausdruck und eröffnet damit die Möglichkeit zu einem Bezug von Elterngeld.
Orientierungssatz
Damit wird die Antragsfrist des § 7 Abs 1 BEEG nach einer vorhergehenden Familienpflege erst zum Zeitpunkt des Beginns der Adoptionspflege in Gang gesetzt.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung des Kindes I..
Die Klägerin ist Lehrerin und hat diesen Beruf zunächst in Vollzeit ausgeübt. Sie und ihr Ehemann wünschten die Adoption eines Kindes.
Zum 4. September 2012 gab das Jugendamt des Unstrut-Hainich-Kreises als Sorgeberechtigter das am 4. Januar 2012 geborene Kind I. auf unbestimmte Zeit in Familien(vollzeit)pflege gemäß § 33 SGB VIII bei der Klägerin und ihrem Ehemann. Diese erhielten dafür Pflegegeldleistungen gemäß § 39 SGB VIII in Höhe von monatlich ca. 622 €. Bereits bei der Aufnahme des Pflegeverhältnisses ließen sich die Eheleute und das Jugendamt von der Erwartung leiten, dass bei einer erfolgreichen Integration des Kindes in die Pflegefamilie und bei Zustimmung der leiblichen Eltern bzw. einer Ersetzung ihrer Zustimmung eine Adoption des Kindes durch die Klägerin und ihren Ehemann anzustreben sei.
Im Hinblick auf die Übernahme dieser Pflege des Kindes nahm die Klägerin ab dem 1. Oktober 2012 Elternzeit in Anspruch, die Niedersächsische Landesschulbehörde ermäßigte antragsgemäß ihre nach sog. Regelstunden bemessene Arbeitszeit von 23,5 Wochenstunden auf 10 Stunden ab dem 1. Oktober 2012. Dadurch bedingt reduzierte sich das monatliche Bruttoeinkommen der Klägerin von 4.444,34 € im Zeitraum bis September 2012 auf 1.949,12 € im Zeitraum ab Oktober 2012.
Die leiblichen Eltern willigten mit notarieller Erklärung vom 4. April 2013 in eine Adoption des Kindes durch die Klägerin und ihren Ehemann ein. Daraufhin vereinbarte das Jugendamt mit der Klägerin und ihrem Ehemann, dass zum 1. Mai 2013 die Adoptionspflegezeit beginnen sollte; dementsprechend wurden die Pflegegeldzahlungen zum 30. April 2013 eingestellt.
Am 26. April 2013 beantragte die Klägerin Elterngeld für die ersten zwölf Monate ab dem 1. Mai 2013, wobei sie in dem Antrag selbst als Datum der sog. Haushaltsaufnahme den 1. Mai 2013 vermerkte.
Diesem Antrag entsprach der Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2013 mit der Maßgabe, dass er der Klägerin Elterngeld für den beantragten Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis 30. April 2014 in Höhe von monatlich 857,88 € zusprach. Der Berechnung hatte er ein durchschnittliches Bruttoeinkommen der Klägerin in den (dem Wortlaut nach als Monate “vor der Geburt„ ausgewiesenen) Monaten Mai 2012 bis April 2013 in Höhe von 2.919,65 € zugrunde gelegt. Das monatliche Erwerbseinkommen im Bezugszeitraum hatte er unter Berücksichtigung einer weiteren von der Klägerin mit der Schulbehörde für den Zeitraum ab Mai 2013 vereinbarten Absenkung der Stundenzahl in Höhe von monatlich 639,07 € netto in Ansatz gebracht.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese eine Elterngeldberechnung unter Berücksichtigung ihres Einkommens aus dem Zeitraum 4. September 2011 bis 3. September 2012 begehrte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013 zurück. Nach den gesetzlichen Vorgaben sei der Zwölfmonatszeitraum vor der Haushaltsaufnahme, im vorliegenden Fall also die zwölf Monate vor dem 1. Mai 2013, maßgeblich.
Zur Begründung der am 17. Dezember 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin hervorgehoben, dass sie und ihr Ehemann bereits bei Begründung der Vollzeitpflege am 4. September 2012 die Adoption des Kindes angestrebt hätten; sie hätten sich von vornherein als Adoptionswillige an die Vermittlungsstelle gewandt. Allerdings habe einem früheren Beginn einer Adoptionspflege die zunächst fehlende Einwilligung der leiblichen Kindesmutter entgegengestanden.
Mit Urteil vom 1. September 2015, der Klägerin zugestellt am 18. September 2015, hat das Sozialgericht Lüneburg die Klage abgewiesen. Nach den gesetzlichen Vorgaben sei für die Bemessung des Elterngeldes der Zwölfmonatszeitraum vor der Begründung der Adoptionspflege ausschlaggebend.
Mit der am 12. Oktober 2015 eingelegten Berufung hebt die Klägerin weiterhin hervor, dass einem früheren Beginn der Adoptionspflege die zunächst fehlende Einwilligung der leiblichen Mutter entgegengestanden habe. Vor Erklärung dieser Einwilligung habe ein Antrag des Kindes auf Ersetzung der Einwilligung “im Raum„ gestanden; der “zuständige Richter„ habe schon “ausgeführt„, dass er “einer solchen Klage auf jeden Fall stattgeben würde„. Es seien damit nur noch “Formalien abzuwickeln„ gewesen (vgl. Anwaltsschriftsatz vom 14. Dezember 2015). Nach ihrem Verständn...