Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Versorgung des in einer Einrichtung untergebrachten Versicherten mit einem mobilen Patientenlifter bzw Liftertuch
Orientierungssatz
1. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der Konzeption des SGB 5 und des SGB 11 dort, wo bei vollständiger Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt.
2. Dies gilt auch, wenn sich der Versicherte nicht in einem vollstationären Pflegeheim, sondern in einer vollstationären oder teilstationären Einrichtung iS von §§ 43a, 71 Abs 4 SGB 11, 13 Abs 2 SGB 12 befindet (vgl ua BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 23ff).
3. Mobile Patientenlifter gehören nicht zu den individuell angepassten Hilfsmitteln iS von § 33 SGB 5; bei deren Verwendung einschließlich des Liftertuchs steht nicht der Behinderungsausgleich im Vordergrund, sondern die Ermöglichung und Erleichterung von Pflegemaßnahmen. Sie sind deshalb vom Heimträger bzw von der Einrichtung zur Verfügung zu stellen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2014 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die endgültige Versorgung der Klägerin mit einem Liftertuch durch die Beklagte.
Die am 15. September 1992 geborene Klägerin ist schwerstmehrfachbehindert. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen und kann nicht selbstständig laufen. Seit 15. August 2011 besucht sie die Tagesförderstätte der Werkstatt I.. Dabei handelt es sich um eine teilstationäre Unterbringung iS von § 13 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) von montags bis freitags 8.00 bis 16.00 Uhr. Von den seinerzeit betreuten 17 Personen waren acht auf die Nutzung eines Patientenlifters angewiesen (Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom 12. November 2013).
Die Kosten für den Besuch der Tagesförderstätte werden vom Sozialhilfeträger übernommen. Ein Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) ist nicht abgeschlossen (vgl. Schriftsätze der Klägerin vom 20. Februar 2012 und 10. Januar 2013).
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. J. verordnete der Klägerin am 20. Juni 2011 ein 6-Punkt-Tuch für K. -Lifter. Als Diagnosen waren aufgeführt: schwere psychomotorische Behinderung spast. Tetraparese bei ICP. Die Klägerin legte der Beklagten einen Kostenvoranschlag des Sanitätshauses L. GmbH vom 28. Juni 2011 über einen Schlaufengurt Firma K. Hilfsmittel-Nr. 22.00.00.0000 über 351,05 € vor und beantragte die Kostenübernahme für das Liftertuch, das sie in der Tagesförderstätte benötige.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das Liftertuch ab, da die gesetzliche Krankenversicherung für die Hilfsmittelversorgung im heimischen Bereich nicht zuständig sei. Den Widerspruch der Klägerin vom 26. Juli 2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2011 zurück. Das Wirtschaftlichkeitsgebot schließe eine Leistungspflicht der Krankenversicherung für Hilfsmittel aus, die nicht die Funktionalität, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen würden. Bei Produkten, die allein dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienten, müsse daher nicht jede vom Versicherten gewünschte, für optimal gehaltene Maßnahme gewährt werden. Die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung bleibe hier unberührt, da das Liftertuch ausschließlich in der Tagesförderstätte zum Wickeln benötigt werde. Die gesetzliche Krankenversicherung sei nicht dafür zuständig, Hilfen zu finanzieren, um die Eingliederung in das private, gesellschaftliche und berufliche Leben zu fördern. Nach Auskunft der Leiterin der Tagesförderstätte benötige die Klägerin das Liftertuch zur Wiedereingliederungshilfe. Es sei davon auszugehen, dass lediglich nur ein Liftertuch benötigt werde, um die Grundpflege (Lagern, Transfer, Mobilisation) zu ermöglichen. Zubehörteile müssten vorgehalten werden. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht, wenn aus organisatorischen oder hygienischen Gründen weitere Tücher benötigt würden. Eine berufliche oder soziale Rehabilitation sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Klägerin stellte am 27. Oktober 2011 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht (SG) Hannover. Das SG verpflichtete die beklagte Krankenkasse mit Beschluss vom 2. März 2012 - S 10 KR 1116/11 ER - vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung, der Klägerin ein 6-Punkt-Tuch für einen K. -Lifter als Sachleistung zu gewähren. Dieser Beschluss ist rechtskräftig geworden. Mit Bescheid vom 19. März 2012 gewährte die Beklagte der Klägerin das Liftertuch unter Vorbehalt bis zur Klärung des anhängigen Rechtsstreits.
Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22. September 2011 hat die Klägerin...