Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. Beitragszuschlag für Kinderlose auch bei nicht erfüllbarem Kinderwunsch. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass in der sozialen Pflegeversicherung auch solche Versicherte zu einem Beitragszuschlag für Kinderlose herangezogen werden, die einen Kinderwunsch aus medizinischen Gründen nicht verwirklichen konnten.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1965 geborene Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Beitragszuschlag für Kinderlose in der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Die an einer - ihren Angaben zufolge rasch fortschreitenden - Krebserkrankung leidende Klägerin ist kinderlos. Sie bezieht von dem beklagten Rentenversicherungsträger seit Januar 2005 eine bislang auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2007 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. April 2005 nahm die Beklagte - gestützt auf § 48 SGB X - im Hinblick auf die Einführung eines Beitragszuschlages für Kinderlose durch die Einführung der Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI (mit Gesetz vom 15. Dezember 2004, BGBl I 3448) eine Neufestsetzung des Rentenzahlbetrages vor. Ausgehend von einer unverändert gebliebenen Bruttorente in Höhe von monatlich 687,79 € stellte sie nach Abzug des anteiligen Krankenversicherungsbeitrages der Klägerin in Höhe von 47,80 € und ihres Pflegeversicherungsbeitrages in Höhe von 18,57 € für den Monat April 2005 und in Höhe von 13,41 € ab Mai 2005 für den Monat April 2005 einen Rentenzahlbetrag von 621,42 € und mit Wirkung vom 01. Mai 2005 einen monatlichen Rentenzahlbetrag in Höhe von 626,58 € fest. Dabei legte die Beklagte jeweils unter Einbeziehung des Beitragszuschlages für Kinderlose einen Beitragssatz von 2,7 % für den Monat April 2005 und von 1,95 % für die folgenden Monate zugrunde.

Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sich diese allein gegen die Heranziehung zu dem Beitragszuschlag für Kinderlose wandte, wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 zurück.

Mit der am 18. November 2005 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie sich durch die Heranziehung zu dem Beitragszuschlag für Kinderlose zusätzlich diskriminiert sehe. Sie sei "aufgrund eines beklagenswerten Schicksals" nicht in der Lage, Kinder zu gebären. Überdies habe sie ohnehin aufgrund der Krebserkrankung bereits gravierende Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Mit Urteil vom 07. September 2006, der Klägerin zugestellt am 18. September 2006, hat das Sozialgericht Hannover die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die Beklagte die gesetzlichen Vorgaben über die Erhebung eines Beitragszuschlages für Kinderlose zur Pflegeversicherung, bezüglich derer Verfassungsverstöße nicht festzustellen seien, zutreffend angewandt habe.

Dagegen richtet sich die am 06. Oktober 2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, dass von Verfassungs wegen solche Versicherte von der Heranziehung eines Beitragszuschlages für Kinderlose auszunehmen seien, die aus medizinischen Gründen keine Fortpflanzungsfähigkeit erlangt hätten.

Sie beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 07. September 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. April 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2005 zu ändern und

2. die Beklagte zu verpflichten, die ihr bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum ab April 2005 ohne Anrechnung eines Beitragszuschlages für Kinderlose auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die zu 1. beigeladene Pflegekasse und das zu 2. als Verwalter des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung beigeladene Bundesversicherungsamt stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abänderung der angefochtenen Bescheide und auf Auszahlung des einbehaltenen Beitragszuschlages für Kinderlose zur Pflegeversicherung in Höhe von 1 % für den Monat April 2005 und in Höhe von 0,25 % für die folgenden Monate. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Empfängers auf der Grundlage des bereits vorher festgesetzten Rentenbruttobetrages die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt und davon ausgehend die Rentenzahlbetrag als Ergebnis der Subtraktion der Beitragszahlungen von den Rentenbruttobetrag errechnet. Dabei hat sie die Höhe des Beitrages zur Pflegeversicherung unter Einbeziehung des Beitragszuschlages für Kinderlose festgestellt.

Die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung dieses Zuschlages ergibt sich...

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