Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Berufung. Rechtsschutzbedürfnis. formelle Beschwer. Aufhebung der mit einem Widerspruchsbescheid getroffenen Kostengrundentscheidung durch das Sozialgericht. Statthaftigkeit der isolierten Anfechtungsklage. materielle Beschwer. Erlöschen des Kostenanspruchs durch Verjährung. Zulässigkeit der Kostenerhebung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 7 AY 2/17 R
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen eine im Widerspruchsbescheid getroffene Kostengrundentscheidung ist nicht erneut Widerspruch zu erheben. Diese kann vielmehr unabhängig von der weiteren Regelung im Widerspruchsbescheid mit der Klage angefochten werden, weil sie eine eigenständige zusätzliche Beschwer enthält.
2. Ein Kostenanspruch erlischt gemäß § 8 Abs 1 S 1 NVwKostG (juris: VwKostG ND 2007) drei Jahre nach seinem Entstehen von Gesetzes wegen, ohne dass es einer Einrede des Kostenschuldners bedarf.
3. Die in § 8 Abs 3 S 1 NVwKostG aufgeführten Tatbestände der Verjährungsunterbrechung setzen sämtlich eine vorherige Kostenfestsetzung durch Verwaltungsakt voraus.
4. Eine Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung (§ 204 Abs 1 Nr 1 BGB) setzt Handlungen des Gläubigers voraus, der damit einen ihn möglicherweise treffenden Rechtsverlust verhindern kann. Rechtsmittel des potentiellen Schuldners, hier gegen eine Kostengrundentscheidung, hemmen die Verjährung nicht.
5. Offen bleibt, ob für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen Bescheide nach dem AsylbLG nach Landesrecht Kosten erhoben werden dürfen oder dies nach Bundesrecht ausgeschlossen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. April 2013 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren zu erstatten. Weitere Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung des Beklagten, für die Entscheidung über einen Widerspruch im Bereich des AsylbLG Kosten zu erheben. Vorab ist die mögliche Verjährung eines etwaigen Kostenanspruchs zu prüfen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) und die Klägerin, soweit bekannt staatenlose Jeziden mit zwei gemeinsamen in Deutschland geborenen minderjährigen Kindern, waren 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, lebten zuletzt bis Februar 2009 in G. bzw. anschließend in einer Asylbewerberunterkunft in H. und bezogen dort Leistungen nach § 3 AsylbLG (u.a. Bescheid vom 15. April 2008 für Mai 2008, anschließend monatliche Zahlungen ohne Bescheid).
Am 9. Februar 2009 schlossen die Kläger mit Zustimmung des Beklagten einen Mietvertrag über eine eigene Wohnung in H. Bereits vorher hatte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der für die Wohnung erforderlichen Mietkaution in Höhe von 930,00 € beantragt. Ausweislich einer Verhandlungsniederschrift vom 29. Januar 2009 hat er sodann um darlehensweise Übernahme der Mietkaution und Ratenzahlung in Höhe von monatlich 50,00 € gebeten, die Beträge sollten danach monatlich von den laufenden Leistungen einbehalten werden. Mit an beide Kläger gerichtetem Bescheid vom 12. März 2009 stimmte der Beklagte dem Antrag zu, überwies den Betrag in Höhe von 930,00 € an den Vermieter und stundete den Betrag in der Weise, dass ab dem 1. April 2009 monatlich 50,00 € von den monatlichen Leistungen einbehalten werden sollten. Hiergegen erhob der Kläger am 24. März 2009 Widerspruch und vertrat die Auffassung, dass der monatliche Abzug von 50,00 € rechtswidrig sei.
Mit an beide Kläger gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Weiter heißt es: “Für die Entscheidung über den Widerspruch werden Kosten erhoben„. Die Bewilligung als Darlehen sei antragsgemäß erfolgt, eine Hilfegewährung als Beihilfe komme nicht in Betracht. Die Kostenentscheidung beruhe auf den §§ 1, 3, 5, 9, 11 Abs. 2 und 13 des niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) in Verbindung mit der laufenden Nummer 110.6 des Kostentarifs der Anlage zur Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (AllGO) vom 5. Juni 1997. Die Höhe der Kosten werde durch einen gesonderten Bescheid festgesetzt.
Am 6. Dezember 2010 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 aufzuheben, soweit der Beklagte den Klägern Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach auferlegt hat. Auf die Verfahren nach dem AsylbLG fänden die Vorschriften des SGB X Anwendung. Nach § 63 SGB X seien die Widerspruchsverfahren kostenfrei. Im Übrigen habe die Klägerin selber keinen Widerspruch erhoben, sodass sie schon grundsätzlich keine Kosten verursacht haben könne. Der Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 21. Januar 2011 den Widerspruchsbescheid in Bezug auf die Klägerin auf...