Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. objektiv-rechtliches Gebot einer angemessenen Vergütung. Zusammensetzung der Bewertungsausschüsse verfassungsgemäß. Festlegung der höchstabrechnungsfähigen Gesamtscanzahlen und -sequenzzahlen für radiologische Leistungen. objektivrechtliche Verpflichtung des Staates aus Art 2 Abs 2 S 1 GG. Honorarverteilung. Zusammenfassung von radiologischen Fachgebieten in einheitlichen Honorartopf. Verwaltungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Dem objektiv-rechtlichen Gebot einer "angemessenen" vertragsärztlichen Vergütung kann nicht mehr entnommen werden, als dass sparsam geführten und voll ausgelasteten Praxen - im Rahmen einer typisierenden Betrachtung - die Möglichkeit zu eröffnen ist, aus der Summe der Einnahmen aus vertrags- und privatärztlicher Versorgung die finanziellen Grundlagen für das Fortbestehen der Praxis unter Einschluss eines angemessenen Arztlohnes zu erwirtschaften.
2. Auch unter der Annahme eines subjektiven Rechts auf angemessene Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit ergibt sich kein für die Vertragsärzte günstigerer Prüfungsmaßstab.
Orientierungssatz
1. Die aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG resultierende Befugnis des Bundesgesetzgebers zur Regelung der vertragsärztlichen Berufsausübung umfasst auch die Befugnis, die Kompetenz zur Normierung von Detailregelungen an Organe der Selbstverwaltung wie etwa die im Bewertungsausschuss vertretenen Vertragspartner der Bundesmantelverträge zu übertragen (vgl BVerfG vom 17.6.1999 - 1 BvR 2507/97 = NJW 1999, 2730).
2. Ebenso wenig begegnet die in § 87 Abs 3 und Abs 4 SGB 5 geregelte Zusammensetzung der Bewertungsausschüsse verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. Die ab 1996 geltenden Regelungen über die Festlegung von höchstabrechnungsfähigen Gesamtscanzahlen und Sequenzzahlen für Leistungen nach dem Kapitel Q Abschn I Nr 7 und Kapitel R des EBM-Ä sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
4. Aus Art 2 Abs 2 S 1 GG folgt lediglich eine objektivrechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut des Art 2 Abs 2 S 1 GG zu stellen (vgl ua BVerfG vom 9.3.1994 - 2 BvL 51/92 = BVerfGE 90, 145). Daran hat sich auch die Auslegung des geltenden Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu orientieren.
5. § 85 Abs 4 S 3 SGB 5 kann unbeschadet des Grundsatzes der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müssten ausnahmslos nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, dh mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert, honoriert werden.
6. Die Zusammenfassung der verwandten Fachgebiete für Radiologie, diagnostische Radiologie und Strahlentherapie zu einer Arztgruppe mit einem einheitlichen Honorartopf ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
7. Zur Rechtmäßigkeit von Honorarabzügen zum Ausgleich der Verwaltungskosten.
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Honorierung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit im Jahre 1996.
Die Kläger sind als Radiologen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie charakterisieren ihre Praxis als eine Schwerpunktpraxis für Tumordiagnostik und Tumornachsorge, wobei sie - von geringfügigen Ausnahmen abgesehen - nur im Bereich der Strahlendiagnostik und nicht im Bereich der Strahlentherapie tätig sind. So wurden im ersten Quartal 1996 68 % der Thoraxuntersuchungen bei Tumorerkrankten durchgeführt.
In den Jahren 1995 bis 1997 führten die Kläger auf Überweisung der onkologischen Ambulanz der Medizinischen Hochschule H vielfältige Untersuchungen durch, bei denen entsprechend den Anforderungen der MHH Lungen, Abdomen und Becken in besonders dünnen Schichten - namentlich zur Aufdeckung von Metastasen - untersucht wurden. Einzelne dieser Untersuchungen erforderten die Aufnahmen von bis zu 200 Schichten bei einem einzelnen Patienten.
Die Kläger betreiben jeweils zwei CT- und MR-Geräte. 1995 fertigten die Kläger 9.554 CT- und 4.132 MRT-Aufnahmen; 1996 waren es 10.191 CT- und 5.375 MRT-Aufnahmen.
Die Kläger behandeln Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und Privatpatienten. Bei einer rechnerischen Aufteilung einerseits der Einnahmen und andererseits der Ausgaben auf diese beiden Bereiche nach Fallzahlen ergab sich nach Angaben der Kläger speziell für den Teilbereich Vertragsarztpraxis folgender Gewinn bzw. Verlust vor Steuern, wobei bei der Berechnung der Ausgaben ein kalkulatorischer Arztlohn noch nicht in Ansatz gebracht worden ist:
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1994 |
+ 588.248,07 DM |
1995 |
+ 281.424,20 DM |
1996 |
- 246.952,77 DM (Bl. 54 GA) |
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bzw. |
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- 260.176,59 DM (Bl. 259 GA) |
Die Gesamtausgaben der Praxis beliefen sich nach Mitteilung der Steuerberaterin O. im Jahre 1996 auf 4.918.142,43 DM. Dabei entfielen beispielsweise auf Personalkosten 1.085.471,14 DM, auf Abschreibungen 1.299.655,60 DM, auf Zinsaufwendungen 403.774,97 DM, auf Raumkosten (bei einer Praxisgröße von 1100 qm) 718.959,18 DM (einschließlich Reinigungskosten), auf Wartung...