Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebskostenguthaben. Nichtauszahlung durch Verrechnung mit Mietschulden durch den Vermieter. Aufrechnungsverbot gem § 394 BGB. Realisierbarkeit der Forderung durch zumutbare Zivilrechtsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Nebenkostenguthaben aus einem Mietverhältnis unterliegen einem Aufrechnungsverbot und sind gemäß § 22 Abs 3 SGB II leistungsmindernd für die Unterkunftskosten zu berücksichtigen.
2. Dem Leistungsbezieher ist bei Unterstützung durch den SGB II Leistungsträger der Zivilrechtsweg zwecks Realisierung seiner Forderung gegen den Vermieter bzw Energielieferanten zumutbar.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. September 2014 wird geändert. Auf das Teilanerkenntnis des Beklagten wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2012 insoweit aufgehoben, als 204,09 Euro aufgehoben und zurückverlangt wurden. Im Übrigen wird auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen.
Der Beklagte erstattet 2/5 der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob aufgrund der Berücksichtigung von Betriebskostenguthaben der Kläger die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate November 2008 und Dezember 2009 aufzuheben und erbrachte Leistungen in Höhe von insgesamt 557,02 € zu erstatten sind.
Kläger sind eine alleinerziehende Mutter (Klägerin zu 1.) und ihre zwei minderjährigen Kinder (Kläger zu 2. und 3.), die seit 2007 SGB II-Leistungen vom Beklagten beziehen.
Mit den Bescheiden vom 19. August 2008, 27. August 2008, 25. September 2008 und 9. Juli 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern SGB II-Leistungen für den Zeitraum 1. August 2008 bis 31. Januar 2009. Für November 2008 gewährte er Leistungen in Höhe von insgesamt 635,28 €, wovon auf die Klägerin zu 1. 436,60 € für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nebst Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) von 63,11 € sowie auf den Kläger zu 3. KdU in Höhe von 63,11 € entfielen.
Mit den Bescheiden vom 25. Juni 2009, 8. Juli 2009, 1. Dezember 2009 und 22. Dezember 2009 bewilligte der Beklagten den Klägern SGB II-Leistungen für den Zeitraum 1. August 2009 bis 31. Januar 2010. Für Dezember 2009 gewährte er nur der Klägerin zu 1. Leistungen in Höhe von 389,91 € (222,94 € Regelbedarf plus 166,97 € Unterkunfts- und Heizkosten).
Nach Aufforderung des Beklagten legte die Klägerin zu 1. am 28. Oktober 2011 die Betriebskostenabrechnungen für die Kalenderjahre 2007 und 2008 vor. Aus der Betriebskostenabrechnung vom 1. Oktober 2008 für das Jahr 2007 ergab sich ein Guthaben in Höhe von 66,78 €. Die Nebenkostenabrechnung vom 12. November 2009 für das Jahr 2008 wies ein Guthaben der Klägerin zu 1. in Höhe von 554,43 € aus. In beiden Abrechnungen wurde die Klägerin zu 1. gebeten, ihre Bankverbindung für die Überweisung des Guthabens mitzuteilen. Weiter enthielten die Abrechnungen den folgenden Hinweis: “Falls Ihr Mietkonto einen Rückstand aufweist, wird das Guthaben mit diesem verrechnet„.
Nach Eingang der Betriebskostenabrechnungen hörte der Beklagte die Kläger schriftlich zu einer beabsichtigten Aufhebung und Erstattung von Leistungen für die Monate November 2008 und Dezember 2009 an. Durch Bescheid vom 24. November 2011, gerichtet an die Klägerin zu 1., hob der Beklagte seine Bewilligungsbescheide über SGB II-Leistungen für November 2008 zum Teil in Höhe von 73,35 € und für Dezember 2009 in vollem Umfang auf. Zugleich forderte er die Kläger zur Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 557,02 € (73,35 € für Nov. 2008 und 483,67 € für Dez. 2009) auf, wobei die Klägerin zu 1. für Dezember 2009 auch zur Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen (81,41 € + 11,94 €) verpflichtet wurde. Der Beklagte führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Guthaben aus den beiden Betriebskostenabrechnungen seien im Folgemonat der Gutschrift anzurechnen. Die Kläger seien ihrer Verpflichtung, alle Änderungen der Verhältnisse mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Sie hätten überdies gewusst bzw. wissen müssen, dass der ihnen zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Soweit der Bescheid die Kinder betreffe, ergehe er an sie, die Klägerin zu 1., als gesetzlichen Vertreter.
Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid legten die Kläger Widerspruch ein, der von ihnen nicht begründet wurde. Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2012 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 29. Februar 2012 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben. Zur Klagebegründung haben sie ausgeführt, sie hätten kein Guthaben auf ihrem Konto erhalten. Es seien nicht alle betreffenden Bescheide aufgehoben worden. Von Ratenzahlungsvereinbarungen hätten sie keine Kenntnis. Der B...