Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Vorliegen einer Musikschule iS von § 24 Abs 1 S 1 Nr 9 KSVG. Künstlersozialabgabe. Einstufung der Beitragspflicht
Orientierungssatz
1. Eine Musikschule iS von § 24 Abs 1 S 1 Nr 9 KSVG ist gegeben, wenn die Einrichtung der Erteilung von Musikunterricht dient, der der Berufsausbildung dient oder an Laien gerichtet ist, wobei auch die künstlerische Früherziehung für Kinder ausreichend ist, er nur theoretisch und/oder auch praktisch Kenntnisse vermittelt und bei dem die Lehrkräfte entweder abhängig beschäftigt oder als selbständige Lehrkräfte tätig sind. Selbständig sind die Lehrkräfte etwa dann, wenn sie nach Ort, Zeit und inhaltlicher Gestaltung der Unterrichtstätigkeit frei sind und insbesondere ein Unternehmerrisiko tragen, etwa hinsichtlich der Vergütung für ausgefallene Unterrichtseinheiten. Ein zusätzliches gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Musikschule ist dabei, wenn die Musiklehrer/innen ihrerseits der Künstlersozialversicherungspflicht unterfallen (Grundsatz der sog Deckungsgleichheit zwischen Musikschule und Musiklehrern).
2. Der Annahme des Vorliegens einer Musikschule iS von § 24 Abs 1 S 1 Nr 9 KSVG steht eine mit den Musiklehrer/innen gewählte Vertragsgestaltung eines Untermiet-Verhältnisses nicht entgegen.
3. Bei der Beitragseinstufung ist die Vorschrift des § 25 Abs 1 S 2 KSVG nicht analog anwendbar, da die Honorare nicht direkt an die Einrichtung, sondern an Dritte (die Musiklehrer/innen) gezahlt werden. Auch eine entsprechende Auskunftspflicht nach § 29 KSVG kann der Einrichtung nicht obliegen, da sie die Honorare der Musiklehrer/innen weder kennt noch kennen muss.
Nachgehend
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 23. November 2010 wird abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2010 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens haben beide Beteiligte zu je 1/2 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.127,96 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen die Inanspruchnahme als Unternehmerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) und die daraus resultierende Beitragspflicht wegen des von der Beklagten behaupteten Betreibens einer Musikschule (Grund- und Höhenstreit).
Die Klägerin ist Diplom-Musiklehrerin und selbständige Klavierlehrerin.
2006/2007 gründete sie den J. Hierzu mietete sie Räumlichkeiten an, die sie an Musiklehrer/innen untervermietete zum Zwecke der Erteilung von Musikunterricht. Es handelt sich um drei Räume sowie einen Aufenthaltsraum, in denen insgesamt zeitweise bis zu neun Musiklehrer/innen tätig waren.
Über die Anmietung und Vermietung der Räumlichkeiten hinaus war die Klägerin verantwortlich für die Reinigung und Instandhaltung der Räume, stellte eine zentrale Kontaktstelle für Interessenten am Musikunterricht dar, an die sich die Interessenten per Mail oder Telefon wenden konnten, die Klägerin betrieb eine Internet-Homepage, in dem sie die in den Räumlichkeiten angebotenen Unterrichte, die Musiklehrer/innen sowie die Preise der Unterrichtsstunden vorstellte und sie erstellte einen Werbeflyer mit den entsprechenden Inhalten. Dabei wiesen die Internet-Homepage sowie der Werbeflyer ausdrücklich auf den K. hin.
In den von der Beklagten im Verwaltungsverfahren - betreffend einzelne Musiklehrer/innen - beigezogenen “Untermietverträgen für gewerbliche Räume„ hieß es u.a.:
Ҥ 5 Mietzins
1. Der Mietzins beträgt monatlich 100,-- Euro einschließlich aller Nebenkosten, Reinigung sowie (auf Wunsch) Vermittlung von Schülern.
Für die Nutzung eines Klaviers wird eine monatliche Gebühr von 25,-- Euro erhoben.
§ 7 Weitere Vereinbarungen im Rahmen der Unterrichtstätigkeit im Treffpunkt Musik:
1. Die Lehrkraft ist für Gestaltung und Abschluss von eigenen Unterrichtsverträgen, Organisation des eigenen Unterrichtstages sowie der Regelung von etwaigen Unterrichtsausfällen, Zahlungsrückständen der Schüler etc. allein zuständig.
2. Die Lehrkraft übt die Aufsichtspflicht gegenüber ihren Schülern aus. Der Vermieter wird von allen etwaigen Ansprüchen freigestellt.„
Nach einer - von der Klägerin eingereichten handschriftlichen - “Einnahme-/Überschuss-rechnung„ für den K. überstiegen im Kalenderjahr 2007 die Betriebsausgaben, wozu u.a. die von ihr zu zahlende Miete der Räumlichkeiten gehörte, die Erlöse aus der Untervermietung um ca. 7.000,-- Euro. Hierzu trug die Klägerin vor, dass die Verluste des K. von ihr durch ihre Einnahmen aus eigenem Klavierunterricht ausgeglichen würden.
An den zwischen den Musiklehrer/innen und den Musikschüler/innen geschlossenen Unterrichtsverträgen war die Klägerin - dies ist unter den Beteiligten unstreitig - nicht beteiligt.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2009 stellte die Beklagte die Abgabepflicht der Klägerin als Unternehmerin dem Grunde nach fest und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin...