Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Verstoß gegen das Splittingverbot. keine körperschaftsübergreifende Aufteilung. Entscheidung über die Abrechnung nach Ablauf des Quartals. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das sog Splittingverbot in Ziff 6.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM (juris: EBM-Ä 2008) hat zur Folge, dass sich MKG-Chirurgen nach Ablauf des Quartals entscheiden müssen, ob sie ihre Leistungen vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechnen.

2. Das Splittingverbot steht mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Juni 2011 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Honorarberichtigung.

Der Kläger ist als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung in F. zugelassen.

Im Quartal II/2008 korrigierte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honoraranforderungen des Klägers iHv 20.004,86 Euro (Honorarbescheid vom 7. Oktober 2008). Aus einer Anlage zu dem Bescheid (“Mitteilung an den Arzt") ergab sich, dass es sich hierbei um sachlich-rechnerische Berichtigungen der Vorquartale II/2005 bis IV/2007 handelte, in denen der Kläger in 560 Behandlungsfällen gegen das Splittingverbot in I Ziffer 6.3 der Allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (≪EBM≫ in der ab dem 1. April 2005 geltenden Fassung) verstoßen habe. Nachdem die Beklagte dem Kläger zusätzlich eine Auflistung der berichtigten Behandlungsfälle übersandt hatte (Schreiben vom 10. Dezember 2008), wies sie den gegen die Honorarberichtigung eingelegten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. August 2009).

Der Kläger hat am 24. September 2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und dort ua geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt, seine Honoraranforderungen nachträglich zu berichtigen. In keinem der 560 Behandlungsfälle habe er gegen das Splittingverbot verstoßen. Zwar seien in 84 Behandlungsfällen die vertragsärztlichen bzw vertragszahnärztlichen Leistungen am selben Tag erbracht worden; berichtigen könne dann aber allenfalls die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) die (vertragszahnärztlichen) Begleitleistungen und nicht die Beklagte die (höher zu bewertenden vertragsärztlichen) Hauptleistungen.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 8. Juni 2011 teilweise stattgegeben und den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/2008 idF des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2009 insoweit aufgehoben, als dort Leistungen gekürzt worden sind, die zeitgleich mit Leistungen erbracht worden sind, die gegenüber der KZVN abgerechnet worden sind und die einen höheren Wert als die gegenüber der KZV abgerechneten und zeitgleich erbrachten Leistungen gehabt haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt, die vom Kläger in den Quartalen II/2005 bis IV/2007 zeitgleich erbrachten, aber jeweils teilweise gegenüber verschiedenen Körperschaften abgerechneten Leistungen zu berichtigen. Aus einer Auslegung des Splittingverbots ergebe sich, dass im Fall einer gleichzeitigen Leistungserbringung von einem Über- und Unterordnungsverhältnis auszugehen sei. In solchen Behandlungsfällen sei die höher bewertete Hauptleistung gegenüber der niedriger bewerteten Nebenleistung abrechenbar. Entsprechend seien die Berichtigungen der Beklagten in den Fällen rechtswidrig, in denen der Kläger Leistungen zeitgleich erbracht habe und die Abrechnung bei der KÄV gegenüber der bei der KZV höherwertig gewesen sei. Im Übrigen seien die Berichtigungen der Beklagten aber nicht zu beanstanden. In den Behandlungsfällen, in denen der Kläger die zunächst bei der KZV und anschließend bei der KÄV abgerechneten Leistungen nicht zeitgleich erbracht habe, verstoße die Aufteilung der Abrechnung gegen das Splittingverbot.

Gegen dieses Urteil (zugestellt am 8. August 2011) wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 8. September 2011 und macht im Wesentlichen geltend, dass das SG das Splittingverbot unzutreffend ausgelegt habe. Hieraus ergebe sich nicht, dass bei einer zeitgleichen Leistungserbringung ein Über- und Unterordnungsverhältnis und bei einer zeitversetzten Leistungserbringung ein Nachrangverhältnis bestehe. Vielmehr könnten einheitliche Behandlungsfälle unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bei der Abrechnung gesplittet werden. Daher seien die gesplitteten Honorarabrechnungen des Klägers in den Quartalen II/2005 bis IV/2007 auch in den Behandlungsfällen nachträglich zu berichtigen, in denen er die abgerechneten Leistungen zeitgleich erbracht habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannove...

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