nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungslosigkeit. Pflege. Arbeitslosengeld. Einkommensanrechnung. Pflegegeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Pflege durch Familienangehörige, Verwandte, Freunde oder Nachbarn wird als widerlegbare Vermutung unterstellt, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird, auch wenn der im selben Haushalt lebende Pflegebedürftige das ihm nach § 37 SGB XI zustehende Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen weiterreicht. Eine auf Erwerbserzielung ausgerichtete Tätigkeit kann nicht allein deswegen angenommen werden, weil die Pflegeperson von Beruf Krankenpflegerin ist.
2. Pflegt daher eine arbeitslose Krankenpflegerin eine i.S.v. SGB XI pflegebedürftige Freundin, ist das an sie weitergereichte Pflegegeld weder nach § 141 SGB III auf den Arbeitslosengeldanspruch anzurechnen noch entfällt bei Erreichen der 15-Wochenstunden-Grenze die Beschäftigungslosigkeit.
Normenkette
SGB III §§ 117, 141; SGB XI §§ 19, 37, 44
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 22.05.2002; Aktenzeichen S 3 AL 368/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Ar-beitslosengeld (Alg), das ihr von der Schwerpflegebedürftigen weitergeleitet wur-de, sowie die Aufhebung der Bewilligung des Alg, nach dem die Pflegebedürftige Pflegestufe III zugeordnet worden war.
Die 1954 geborene Klägerin war von Juli 1993 bis Dezember 1999 als Pflegehel-ferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden beschäftigt. Die Ar-beitsvertragsparteien schlossen einen Aufhebungsvertrag, weil die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes und Auszug des erwachsenen Sohnes die Betreuung ihres 1992 geborenen Sohnes während des Nachtdienstes nicht sicherstellen konnte. Die Klägerin meldete sich am 20. Dezember 1999 mit Wirkung zum 2. Januar 2000 arbeitslos und beantragte Alg. Sie gab an, dass ihr wegen der Betreuung ihres Sohnes wöchentlich höchstens 20 Arbeitsstunden an Werktagen zwischen 8.00 und 12.00 Uhr möglich sei. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 2000 ab 1. Januar 2000 Alg für 540 Tage nach einem Bemessungsentgelt von 550,00 DM, Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz in Höhe von 292,74 DM. Mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2000 erhöhte die Beklagte ab 22. Juni 2000 das Bemessungsentgelt auf 610,00 DM und den Zahl-betrag auf 324,60 DM. Die Zahlungen erfolgten bis 30. November 2000.
Seit September 2000 übte die Klägerin eine angezeigte Tätigkeit als Haushalts-hilfe mit monatlich 19 Stunden gegen ein Entgelt von 315,00 DM aus. Ab 16. Februar 2001 fand sie eine neue Anstellung mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden.
Zumindest seit September 1997 pflegte die Klägerin die 1911 geborene I. unent-geltlich, eine gute Bekannte der Familie aus der Kirchengemeinde. Später zog Frau J. in eine eigene Wohnung im Haus der Klägerin, an dessen Bau sie sich finanziell beteiligt und dafür ein dinglich gesichertes Wohnrecht erhalten hatte. Nachdem sich der Pflegebedarf auf täglich drei Stunden für Grundpflege erhöht hatte, bewilligte die AOK Niedersachsen - Pflegeversicherung - mit Bescheid vom 16. September 1999 Frau J. ab 1. April 1999 Pflegegeld der Stufe II in Höhe von 800,00 DM monatlich, das diese an die Klägerin weiterleitete. Außerdem entrich-tete die Pflegekasse zur sozialen Sicherung der Pflegeperson (Klägerin) an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge ab 1. April 1999 (Bescheid vom 16. September 1999). Ab 9. Mai 2000 erhöhte die Pflegekasse die Leistun-gen und bewilligte Pflegegeld nach der Pflegestufe III in Höhe von 1.300,00 DM monatlich (Bescheid vom 7. September 2000). Nach dem Gutachten der Pflege-fachkraft K. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen vom 5. September 2000 betrug der Zeitaufwand für Grundpflege seit April 2000 täglich ca. 4 Stunden und für Hauswirtschaft 2 Stunden.
Durch eine Überschneidungsmitteilung erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin als nichterwerbsmäßige Pflegeperson Leistungen zur sozialen Sicherung erhält.
Nach Anhörung der Klägerin hob sie mit Bescheid vom 8. Februar 2001/Wider-spruchsbescheid vom 21. Mai 2001 die Bewilligung des Alg für die Zeit ab 9. Mai 2000 auf und forderte bis November 2000 überzahlte Leistungen in Höhe von 9.554,28 DM zurück. Sie führte zur Begründung aus, da es sich bei der zu pfle-genden Person nicht um eine Angehörige handele, sei von einer Pflegetätigkeit als Selbständige auszugehen; die Pflege werde nicht in erster Linie in Erfüllung sittlicher und moralischer Pflichten ausgeführt. Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juni 2001 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim - Az S 16 AL 216/01 - erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass es sich um keine gewerbliche Pflege, sonder...