Verfahrensgang
SG Hannover (Urteil vom 01.03.2002; Aktenzeichen S 9 AL 1047/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Sozialgerichts Hannover vom1. März 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Frage streitig, in welcher Höhe ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld als Insolvenzgeld (Insg) zu berücksichtigen ist.
Die 1956 geborene Klägerin war bei der Firma G., Druck GmbH, H., als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag (MTV) für Angestellte der Druckindustrie in Niedersachsen und Bremen Anwendung. Durch Beschluss des Amtsgerichts H. vom 1. September 1999 (Aktenzeichen: I.) wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr J., H., zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Dezember 1999. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die Klägerin Urlaub vom 26. März bis zum 6. April und vom 20. bis zum 27. Juli 1999 genommen; den Resturlaub nahm sie im Oktober und Ende Dezember 1999.
Die Urlaubsvergütung ist im MTV-Druckindustrie für Angestellte wie folgt geregelt:
„§ 10 Urlaubsbezahlung
Die Urlaubsbezahlung besteht aus dem Durchschnittsgehalt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld sollen in ungefährer Höhe des Nettobetrages als Abschlag gezahlt werden. Die endgültige Abrechnung der Urlaubsbezahlung erfolgt zum Zeitpunkt der nächsten Gehaltsabrechnung. Der Zeitpunkt der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden.
- … (Berechnung des Urlaubsentgelts)
- Jedem Angestellten und Auszubildenden wird zum Gehalt bzw zur Ausbildungsvergütung ein zusätzliches Urlaubsgeld für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag gezahlt. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt pro Urlaubstag 50 % des vereinbarten Monatsgehalts (ohne Überstundenbezahlung und Überstundenzuschläge bzw pauschalisierte Überstundenvergütung) bzw der Ausbildungsvergütung geteilt durch 22.
- Im Falle des Ausscheidens eines Angestellten während des Urlaubsjahres kann das zuviel gezahlte Urlaubsentgelt und das zusätzliche Urlaubsgeld bei der Endabrechnung einbehalten werden, wenn das Ausscheiden aufgrund einer Kündigung des Angestellten oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Entlassung durch den Arbeitgeber erfolgt. Die Rückzahlung entfällt, wenn das Ausscheiden aufgrund einer fristgemäßen Kündigung seitens des Arbeitgebers oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Kündigung seitens des Arbeitnehmers erfolgt.”
Im Betrieb der Firma G. GmbH galt für die Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes die Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994:
„Auszahlungsmodus Urlaubsgeld
Mit dieser Vereinbarung wird die in den letzten Jahren gängige Praxis als Betriebsvereinbarung festgelegt.
Das bedeutet:
Das gesamte Jahresurlaubsgeld wird im Vormonat der als Haupturlaub angemeldeten Urlaubstage ausgezahlt, spätestens jedoch zum 31.06. des Jahres für die Gehaltsempfänger und zum 15.07. des Jahres für die Lohnempfänger.”
Am 16. August 1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von Insg. Das Gehalt für Juni 1999 wurde vom Arbeitgeber vollständig gezahlt; das Gehalt für Juli 1999 wurde durch die K.-Bank bei Übertragung der Forderung gegen den Arbeitgeber vorfinanziert. Die Beklagte gewährte Insg entsprechend eines durch den Insolvenzverwalter für den Monat August 1999 bescheinigten offenen Gehaltsanspruchs von 5.453,26 DM brutto (3.018,35 DM netto), wobei darin neben einer anteiligen Sonderzahlung auch 3/12 Urlaubsgeld in Höhe von 611,95 DM brutto enthalten waren (Bescheid vom 1. Oktober 1999).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, weil nach ihrer Auffassung das volle Jahresurlaubsgeld als Insg zu berücksichtigen sei, weil dieser Betrag aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994 im Insg-Zeitraum fällig geworden sei. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 9. November 1999 führte die Beklagte aus, das Urlaubsgeld könne nur zu 3/12 berücksichtig werden, weil der MTV einen anteiligen Anspruch auf Urlaub und zusätzliches Urlaubsgeld je Kalendermonat vorsehe.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat der am 7. Dezember 1999 erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von weiterem Insg unter Berücksichtigung von 12/12 des Urlaubsgeldes verurteilt (Urteil vom 1. März 2002). In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, das zusätzliche Urlaubsgeld sei als Einmal-Betrag am 15. Juli 1999 fällig geworden, weil die Klägerin im Jahre 1999 bis zum Insolvenzereignis ihren Haupturlaub noch nicht angetreten habe. Es handele sich um ein zusätzliches Arbeitsentgelt, dessen Zweckbestimmung nicht darin liege, den Urlaub zu gestalten. Durch die Stichtagsregelung in der Betriebsvereinbarung sei dieses komplett bei der Bemessung des In...