Entscheidungsstichwort (Thema)
Quasi-Berufskrankheit. neue Erkenntnisse. medizinische Wissenschaft. Anosmie. Holzstaub. Holzinhaltsstoffe. Tischler
Orientierungssatz
Es gibt derzeit keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach die Einwirkung von Holzstäuben, Lacken und Spritzlacken sowie Formaldehyd gehäuft zu einem Ausfall des Geruchssinns bei den Personen führt, die diesen Einwirkungen ausgesetzt waren.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Anerkennung eines Geruchssinnausfalls als Berufskrankheit (BK) und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1936 geborene Kläger ist von Beruf Tischler. Im Januar 1989 zeigte der behandelnde Arzt L bei der Beklagten an, daß bei dem Kläger ein Geruchsausfall bestehe, den er auf die Arbeiten mit Holz und Lacken zurückführte und als Holzstaubschaden bezeichnete. Nach Einholung einer Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 8. November 1989, in der es hieß, daß der Kläger ständigen Umgang mit Hölzern unterschiedlichster Art und Plattenmaterialien gehabt habe, indessen keine Messungen über die Staubbelastung erfolgt seien, gab die Beklagte ein hals-nasen-ohrenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. F in Auftrag. In dem Gutachten vom 18. Dezember 1990 führte Prof. Dr. F aus, daß die Exposition gegenüber Holzstäuben, Lacken und Spritzlacken sowie Lösemitteln geeignet sei, eine Anosmie hervorzurufen. Er empfahl die Anerkennung des Geruchssinnausfalls bei dem Kläger als BK nach § 551 Abs 2 RVO und schätzte die bei dem Kläger bestehende MdE auf 10 vH. Nachdem Dr. Sch in einer Stellungnahme vom 2. Mai 1992 ausgeführt hatte, daß es keine hinreichend gesicherten Erkenntnisse darüber gebe, daß auf normalen Arbeitsplätzen unterhalb der Schwelle von Schleimhautschäden und Vergiftungen schwerwiegende Einbußen des Geruchssinnes in hohem Maße einen bestimmten Personenkreis beträfen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 1992 die Anerkennung einer BK mit der Begründung ab, daß bei dem Kläger eine Listenerkrankung nicht vorliege und auch die Anerkennung wie eine BK ausscheide, weil es an neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen in bezug auf die Erkrankung des Klägers fehle. Den Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 15. September 1992 zurück. Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 25. September 1991 eingeholt und die Beklagte eine Stellungnahme ihres TAD vom 16. August 1993 vorgelegt. Mit Urteil vom 19. September 1994 hat das SG Hannover die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es erläutert, daß eine Listenerkrankung beim Kläger nicht gegeben sei und auch die Voraussetzungen für die Annahme der BK-Reife in bezug auf den Ausfall des Geruchssinns und die Einwirkung von Holzstäuben, Lacken, Spritzlacken und Lösemitteln fehle. Prof. Dr. F habe in seinem Gutachten nur den individuellen Zusammenhang dargelegt, während es an dem generellen Zusammenhang fehle.
Gegen dieses seinem Prozeßbevollmächtigten am 19. Oktober 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. November 1994 rechtzeitig Berufung eingelegt und geltend gemacht, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes davon auszugehen sei, daß die Regelungen in der RVO auf die Lückenlosigkeit des BK-Schutzes ziele. Das Gutachten des Prof. Dr. F sei in bezug auf die Kausalzusammenhänge überzeugend. Der Senat hat die Berufung durch Urteil vom 26. November 1996 zurückgewiesen. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. Sch vom 1. Juli 1996 folge, daß eine Listenerkrankung bei dem Kläger nicht vorliege. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. Sch folge auch, daß die Anerkennung des Geruchssinnausfalls als BK deshalb nicht in Betracht komme, weil es an hinreichenden epidemiologischen Erkenntnissen für eine Vielzahl gleichartiger Erkrankungen fehle.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) die Revision durch Beschluß vom 27. Mai 1997 (2 BU 7/97) zugelassen und durch Urteil vom 17. Februar 1998 (B 2 U 22/97 R) das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, daß der Senat dem im Termin am 26. November 1996 hilfsweise gestellten Antrag auf nochmalige Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. Sch hätte folgen müssen. Angesichts der nicht aufgeklärten Widersprüche zwischen den Ausführungen des Sachverständigen zu der von ihm herangezogenen medizinischen Fachliteratur und den von ihm daraus gezogenen Schlußfolgerungen zu den von der Beklagten dazu erhobenen Einwänden hätte sich der Senat gedrängt fühlen müssen, diesen Einwänden nachzugehen. Auf diesem Verfahrensmangel könne das angefochtene Urteil auch beruhen.
Der Kläger macht geltend, daß im bisherigen Verfahren nicht hinreichend genug aufgeklärt worden sei, inwieweit neben den Holzstäuben, Lacken und Spritzlacken sowie Lösemitteln auch Formaldehyd ursächlich für das Auftreten des Geruchssinnausfalls sein könnte. Im übrigen se...