Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Landwirte. Versicherungspflicht. Hobby-Pferdezucht
Orientierungssatz
Eine landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit iS von § 1 Abs 3 GAL liegt bereits dann vor, wenn Grünflächen unterhalten werden, die der Abweidung durch Pferde dienen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 31. Dezember 1994 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten gewesen ist.
Die Klägerin ist Gesellschafterin sowie Werksleiterin verschiedener Firmen und Geschäftsführerin in einem weiteren Unternehmen. Außerdem betreibt sie eine Pferdezucht. Zum 1. Oktober 1985 gehörten hierzu 5,69 ha Grünfläche und 0,98 ha Hoffläche (= 111,16 vH der von der Beklagten festgesetzten Mindesthöhe) und ab 1. Januar 1990 11,73 ha Grünfläche und 0,88 ha Hoffläche (= 210,17 vH der von der Beklagten festgesetzten Mindesthöhe). Der ha-Wert der Betriebssitz - Gemeinde R.-E. beträgt 1.040,-- DM.
Mit Bescheid vom 29. Juni 1992 stellte die Beklagte fest, daß die Klägerin ab 1. Oktober 1985 Mitglied der Beklagten aufgrund § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 sei. Die Klägerin sei landwirtschaftliche Unternehmerin, deren Unternehmen eine Existenzgrundlage bilde. Gleichzeitig erhob die Beklagte ab 1. Juni 1992 Beiträge nach der Beitragsklasse 3 in Höhe von 240,-- DM. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und wies zur Begründung darauf hin, daß sie die Pferdehaltung nur als Hobby betreibe. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 1992 - abgesandt am 11. August 1992 - wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die hiergegen am 9. September 1992 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover mit Urteil vom 3. Dezember 1993 abgewiesen. Die Klägerin sei gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig. Ihr Unternehmen bilde eine Existenzgrundlage iSd § 1 Abs 4 GAL. Entgegen der Ansicht der Klägerin stehe der Versicherungspflicht nicht entgegen, daß sie lediglich eine Hobby-Pferdehaltung betreibe und die "Bodenbewirtschaftung" nicht dem üblichen Bild der Landwirtschaft entspreche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei wesentliches Merkmal eines landwirtschaftlichen Unternehmens die Bodenbewirtschaftung. Eine solche sei hier gegeben. Die Weideflächen müßten regelmäßig bearbeitet werden, damit sie auf Dauer für die Pferdehaltung geeignet blieben. Hierzu gehörten nicht nur das Grasmähen und das Gewinnen von Heu, sondern auch die Wartung und ggf Erneuerung der Einfriedungen. Der Versicherungspflicht stehe auch nicht entgegen, daß die Klägerin die Pferdehaltung nur "hobbymäßig" betreibe. Entscheidend sei allein, daß das landwirtschaftliche Unternehmen seiner Größe, der Bonität seiner Grundstücke und der Kulturart nach geeignet sei, dem Grunde nach eine Existenzgrundlage zu bilden. Bei den hier vorhandenen Flächengrößen sei das der Fall.
Gegen die ihr am 24. Januar 1994 zugestellte erstinstanzliche Entscheidung hat die Klägerin am 23. Februar 1994 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen folgendes vor: sie sei keine landwirtschaftliche Unternehmerin. Die Rechtsprechung des BSG, nach der die Pferdehaltung - gleich ob des Arbeits- oder Reitpferdes - noch der Landwirtschaft zuzuordnen sei, bedürfe einer Überprüfung. Es sei zu fragen, ob die Pferdehaltung nicht über die Landwirtschaft hinausgehend der allgemeinen Wirtschaft zuzuordnen sei und ihre Bedeutung hierfür mit zunehmender Mechanisierung und Motorisierung verloren habe. Das Pferd habe in allen Wirtschaftszweigen, in denen es eingesetzt gewesen sei - zB bei Fuhrunternehmern, Droschkenbesitzern, Ärzten zum Zweck der Krankenbesuche -, nur die Bedeutung eines Hilfsmittels zum Zwecke der Fortbewegung gehabt. In all diesen Bereichen seien die Pferde durch Maschinen ersetzt worden. Pferde würden heute nur noch in allen möglichen Bereichen aus Tradition oder Liebhaberei gehalten. Einen speziellen Bezug zur Landwirtschaft habe das Pferd nicht. Zudem betreibe sie - die Klägerin - keine Bodenbewirtschaftung. Ihre Weiden würden weder gemäht noch werde davon Heu gewonnen. Auch reiche der Ertrag bei weitem nicht aus, die Pferde artgerecht zu versorgen, denn alle Futtermittel würden hinzugekauft. Die Weiden seien nur Auslauf, den die Pferde zur art- und tierschutzgerechten Haltung benötigten. Sie, die Klägerin, erneuere lediglich im Bedarfsfall die Einfriedungen. Die auf das bloße Vorhandensein grasbewachsenen Landes geschrumpfte "Bodenbewirtschaftung" entferne sich von der Landwirtschaft mindestens wie diejenige zur Erzeugung von Wildfutter. Letztere gehöre nach der Rechtsprechung des BSG nicht mehr zur Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Unternehmer könne auch nur der sein, der den Boden mit dem Ziel der landwirtschaftlichen Urproduktion, in der durch Nutzung der Bodenkräfte pflanzliche und tierische Rohstoffe ...