Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Einkommensbegriff. Verlustabzug
Orientierungssatz
1. Der Einkommensbegriff des § 138 AFG ist eigenständig und nicht an steuerrechtliche Vorschriften gebunden. Es ist bedeutungslos, ob der als Einkommen anzusetzende Gewinn steuerpflichtig ist (hier Verlustabzug).
2. Bei Selbständigen besteht das Einkommen in dem dem jeweiligen Zeitraum rechnerisch zuzuordnenden Teil des Jahresgewinns.
Nachgehend
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger an die Beklagte einen Teil der für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1993 gezahlten Arbeitslosenhilfe (Alhi) zurückzahlen muss.
Der ... 1966 geborene, verheiratete Kläger, Vater zweier 1989 und 1992 geborener Kinder, bezog von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Nach Erschöpfung dieses Anspruchs bewilligte das Arbeitsamt (AA) mit Bescheid vom 22. September 1992/4. Dezember 1992 Anschluss-Alhi ab 9. September 1992 bis zum 31. Juli 1993 (Leistungsgruppe C/1, Bemessungsentgelt: 710,-- DM; Nettolohnersatzquote: 58 %, wöchentliche Leistung 297,60 DM = 49,60 DM täglich). Im Jahre 1993 wies die Steuerkarte des Klägers als Steuermerkmale die Steuerklasse III mit zwei Kinderfreibeträgen auf. Auf seinen Antrag bewilligte das AA mit Bescheid vom 20. Juli 1993 Alhi für den neuen Bewilligungsabschnitt ab 2. August 1993 bis 31. Juli 1994 (Leistungsgruppe C/1; Bemessungsentgelt 750,-- DM; Nettolohnersatzquote: 58 %; wöchentliche Leistung: 312,-- DM = 52,-- DM täglich).
In seinem Antrag gab der Kläger an, seit 1. Juni 1993 für zwei Stunden täglich einem Familienangehörigen zu helfen und Erziehungsgeld seit Dezember 1992 zu beziehen. Wesentliche Änderungen der Einkommensverhältnisse der Angehörigen verneinte er. Nachdem am 15. Juli 1993 das AA eine Nebenverdienstbescheinigung ab Juni 1993 angefordert hatte, teilte der Kläger am 27. Juli 1993 mit, dass er Nebeneinkünfte nicht habe, weil er seiner Ehefrau zwei Stunden täglich aushelfe. Der Kläger gab erstmals am 3. August 1993 dem AA an, dass die Ehefrau einen eigenen Betrieb führe.
Auf Anforderung des AA übersandte der Kläger den Einkommensteuerbescheid vom 31. Mai 1994 für 1993. Beigefügt war als Anlage ein gesonderter Bescheid über die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1993 (Höhe: 95.827,-- DM). Der Kläger übersandte sodann eine Selbsteinschätzung der Ehefrau für das Jahr 1994, aus der sich ergibt, dass ihre selbständige Tätigkeit am 12. Dezember 1992 begonnen hatte. Hierin teilte die Ehefrau eine Gewinnerwartung für 1994 in Höhe von 0,00 DM wegen Geschäftsverlusten gegenüber den Vorjahren mit. Weiter heißt es, die Ehefrau unterhalte den Kläger und die beiden Kinder überwiegend. Der vom Kläger übersandte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1992 (Datum des Bescheides: 16.04.1993) weist Minuseinkünfte aus Gewerbebetrieb (Höhe: 174.511,-- DM) sowie einen Verlustrücktrag nach 1990 und 1991 aus. Der Kläger stellte dem AA ferner die infolge des Verlustrücktrages geänderten Einkommensteuerbescheide für 1991 und 1990 zur Verfügung. Aus dem Steuerbescheid für 1993 entnahm das AA, dass die Ehefrau des Klägers von diesem nicht angegebene Einkünfte gehabt habe.
Nach Anhörung wegen unrechtmäßigen Leistungsbezuges in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1993 in Höhe von 11.214,79 DM hob das AA den Bescheid vom 4. Dezember 1992 nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -- Verwaltungsverfahren -- (SGB X) für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Juli 1993 teilweise auf und forderte auf der Grundlage des § 50 SGB X für diesen Zeitraum 6.521,06 DM zurück. Ferner nahm es den Bescheid vom 20. Juli 1993 für die Zeit vom 2. August 1993 bis 31. Dezember 1993 nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X teilweise zurück und forderte für diesen Zeitraum 4.693,73 DM zurück (Bescheide vom 8. September 1994/Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1994). Die Ausführungen des Steuerberaters, der den Widerspruch des Klägers unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten erläutert und darauf hingewiesen hatte, der für 1993 ausgewiesene Gewinn sei nur buchtechnischer Natur, hielt es für unerheblich.
Den am 7. Dezember 1994 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit der am 22. Dezember 1994 eingegangenen Klage angegriffen. Diese hat er damit begründet, die Ehefrau habe Einkünfte für 1993 nicht erzielt. Der Kläger habe der Beklagten die Einkommensteuerbescheide zur Verfügung gestellt. Falls es überhaupt zu Überzahlungen gekommen sei, habe dies die Beklagte verschuldet.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat mit Urteil vom 22. Oktober 1998 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 sowie § 45 SGB X hätten nicht vorgelegen. Denn es stehe nicht fest, dass die Bedürftigkeit des Klägers aufgrund von Einkünften seiner Ehefrau in Jahr 1993 gemindert gewesen s...