Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilverfahren. Übermittlung über das beBPo. Einfache Signatur. Unterschrift. Namenswiedergabe. Aufschiebende Wirkung. Deklaratorische Feststellung einer gesetzlich unmittelbar angeordneten Wirkung. Vorwegnahme der Hauptsache
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird die Beschwerdeschrift über das beBPo übermittelt, ist die einfache Signatur ausreichend, was durch die Einfügung einer gescannten Unterschrift oder die Namenswiedergabe am Ende des Textes erfüllt wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob die den Schriftsatz verantwortende bedienstete Person diesen eigenhändig versendet hat.
2. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung, wenn der Bescheid den Eintritt einer gesetzlich unmittelbar angeordneten Wirkung lediglich deklaratorisch feststellt.
3. Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden.
4. Eine Vorwegnahme der Hauptsache steht der Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann nicht entgegen, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu spät käme, insbesondere weil sonst besonders schwere und unzumutbare, nicht anders als durch einstweiligen Rechtsschutz abwendbare Nachteile eintreten, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können; in diesem Fall sind aber erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und insbesondere des Anordnungsgrundes zu stellen.
Normenkette
SGG §§ 56, 65a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Nrn. 2-3, § 65d S. 1, §§ 86, 86a Abs. 1 S. 1, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 2, 4; SGB V § 124 Abs. 1, 6 S. 1; SGB X § 44 Abs. 1
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 5. Juni 2023 geändert und der Antrag vom 2. Februar 2023 auf einstweiligen Rechtsschutz insgesamt abgelehnt.
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg, sie ist zulässig (I.) und begründet (II.). Die Beschwerde der Antragstellerin ist demgegenüber jedenfalls unbegründet (III.).
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere statthaft ( § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) sowie form- und fristgerecht ( § 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) am 30. Juni 2023 durch die Antragsgegnerin gegen den ihr am 9. Juni 2023 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 5. Juni 2023 eingelegt worden.
Die Antragsgegnerin hat die Beschwerde wirksam als elektronisches Dokument im PDF-Format übermittelt.
1. Ab dem 1. Januar 2022 sind insbesondere Rechtsanwälte und Behörden verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln (vgl. § 65d Satz 1 SGG i.d.F. von Art. 4 Nr. 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, BGBl I 3786, sowie BT-Drucks. 17/12634 S. 27 - zu Nr. 4). Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Person entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen worden sein ( § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGG) oder von ihr (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden ( § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG). Zu den sicheren Übermittlungswegen zählen nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 und 3 SGG u.a. die Übersendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a Bundesrechtsanwaltsordnung und aus dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo). Im Falle der Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg bedarf es grundsätzlich keiner qeS (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2023 - B 1 KR 20/22 R - SozR 4 (vorgesehen), juris-Rn. 10, m.w.N.).
Die Antragsgegnerin hat die Beschwerdeschrift über das beBPo übermittelt, was sich aus dem Prüfvermerk ergibt. In diesem Fall ist die einfache Signatur ausreichend, was durch die Einfügung einer gescannten Unterschrift oder die Namenswiedergabe am Ende des Textes erfüllt wird (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 25; Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 130a Rn. 8 m.w.N.; H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 65a SGG, Rn. 316, m.w.N.; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. September 2020 - 5 AZB 23/20 -, BAGE 172, 186 ff., Rn. 15).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die den Schriftsatz verantwortende Bedienstete der Antragsgegnerin (vgl. die Angaben im Briefkopf) hat diesen durch die Wiedergabe ihres Namens am Ende des Textes verantwortet.
Es kommt nicht darauf an, ob die den Schriftsatz verantwortende Bedienstete der Antragsgegnerin diesen eigenhändig versendet hat, was hier nicht festgestellt werden kann.
Erforderlich ist bei Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges zwar grundsätzlich, dass der Schriftsatz von der Person versendet wird, die ihn verantwortet (sog. "Personenidentität", § 65a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 SGG). Die das Doku...