Entscheidungsstichwort (Thema)
Indizien für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zum Erlass eines Beitragsbescheides
Orientierungssatz
1. Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Rentenversicherungsträgers zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe nach § 28 p Abs. 1 SGB 4 ist dann von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers auszugehen, wenn dieser von einem Arbeitgeber persönlich abhängig, in dessen Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
2. Bei nicht fest vereinbarten täglichen Arbeitszeiten spricht ein hohes Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme für eine Eingliederung in eine vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation. Eine hierbei abverlangte weitgehende Dienstbereitschaft ist kennzeichnend für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
3. Unterhält der Beschäftigte keine eigene Betriebsstätte, tritt er nicht werbend am Markt auf und ist seine Tätigkeit nicht durch ein unternehmerisches Risiko gekennzeichnet, so ist von der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auszugehen.
4. Das Fehlen von Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechtfertigt für sich allein genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, § 14 Abs. 2 S. 2, § 28p Abs. 1 S. 5, § 28e Abs. 1 S. 1; SGG § 86a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2, § 197a Abs. 1 S. 1; GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4; VwGO § 154 Abs.2
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 1.12.2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.628,15 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9.5.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2011, mit dem diese im Anschluss an eine Betriebsprüfung die Zahlung von 14.512,60 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 1.699,00 Euro für den Beschäftigten R (im Folgenden: R.) verlangt.
Der Antragsteller, Rechtsanwalt und Notar a.D., ist Miteigentümer der Grundstücke und Häuser I-Straße 00-01, N-Str. 00-01 und N-Str. 00-01 in N. Eigenen Angaben zufolge steht ihm überdies an den Grundstücken N-Str. 00 bis 00 ein Nießbrauch zu. Weitere (Mit-)Eigentümer der Grundstücke sind Familienangehörige mit unterschiedlichen Anteilen.
R. und seine Ehefrau schlossen am 6.3.2007 mit Wirkung ab dem 1.6.2007 einen Mietvertrag über eine Wohnung im Haus I-Straße 00 mit dem Antragsteller, "handelnd für die Gemeinschaft T/F, bestehend aus den Eheleuten Dr. X und H T, T und Dr. C T, Frau I L, N und Dr. J L".
In den Jahren 2008 bis 2010 erledigte R., der gelernter Kfz-Lackierer ist und in der Vergangenheit bei verschiedenen Unternehmen als Maler bzw. Lackierer tätig war, in den genannten Häusern verschiedene Malerarbeiten. Hierfür stellte er jeweils Nettorechnungen, die an die "Hausgemeinschaft T F" unter der Adresse L Str. 0, der Kanzleianschrift des Antragstellers, gerichtet waren. Die Rechnungen wiesen die geleisteten Arbeiten, die dafür aufgewandte Stundenzahl und den jeweiligen Gesamtbetrag unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 12,00 Euro aus. R. war nicht in die Handwerksrolle eingetragen.
Ab dem 1.1.2005 bezog R. Arbeitslosengeld II. Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Betruges gab er am 1.7.2010 an, bis etwa zwei Jahre zuvor seien die Malerarbeiten für den Antragsteller von einem Polen durchgeführt worden. Da dieser in seine Heimat zurückgezogen sei, habe er sich beim Antragsteller nach einer Anstellung als Maler erkundigt und ihm in diesem Zusammenhang seinen Sozialversicherungsausweis und seine Lohnsteuerkarte abgegeben. Der Antragsteller habe sich dagegen gewehrt, ihn einzustellen. Er habe ihn in der Folgezeit jedoch - immer häufiger - beschäftigt und dazu gesagt, "wie das mit den Stunden bzw. vertraglich laufen" werde, werde man schon regeln. Der Antragsteller habe gewusst, dass er, R., Arbeitslosengeld II beziehe.
Die Antragsgegnerin hörte u.a. den Antragsteller zur Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen Beschäftigung des R. als versicherungspflichtigen Hausmeister an. Der Antragsteller teilte mit, R. sei als Hausmeister weder angestellt noch beschäftigt. Die Wohnanlage in I umfasse 17 Häuser mit insgesamt 102 Wohnungen. Diese Größenordnung bedinge, dass ständig Reparatur- und Renovierungsarbeiten anfielen, außerdem Pflegearbeiten für ein sauberes und ordentliches Aussehen der Siedlung. Für diese Arbeiten beschäftige man laufend selbstständige Handwerker, unter ihnen R. Dieser übernehme Malerarbeiten, wenn die Zeit wegen Mieterwechsels dränge. Er erhalte kein monatlich festes Gehalt. Er sei nicht weisungsgebunden. Er sei auch nicht verpflichtet, die Aufträge anzunehmen. Umgekehrt bestehe keine Beschäftigungspflicht. Er werde i...