Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Aufhebung eines Prüfbescheides des Rentenversicherungsträgers wegen falscher Zuständigkeit. einstweiliger Rechtschutz. sozialgerichtliches Verfahren
Orientierungssatz
1. Die aufschiebende Wirkung einer Klage ist nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG anzuordnen, wenn deren Erfolg überwiegend wahrscheinlich ist.
2. Die Bestimmung des für die Betriebsprüfung zuständigen Rentenversicherungsträgers anhand einer abstrakten, einzelfallunabhängigen Vereinbarung, wonach sich die Zuständigkeit nach dem Sitz und der Prüfziffer der Abrechnungsstelle, bzw der Endziffer der Betriebsnummer richtet, stellt eine ausreichende Regelung der sachlichen Zuständigkeit dar, da es sich um abstrakt-generelle Regelungen handelt, die nach allgemeinen Grundsätzen festlegen, ob die Betriebsprüfung von der DRV Bund als Bundesträger oder von einem Regionalträger durchzuführen ist (vgl. LSG München vom 15.1.2018 - L 14 R 5201/16 = juris RdNr 24).
3. Für ein Abweichen von dieser Regelung iS einer einzelfallbezogenen Zuständigkeitsbestimmung gibt es keine Rechtsgrundlage.
4. Eine fehlende Zuständigkeit führt zur Rechtswidrigkeit des ergangenen Prüfbescheides. Der Mangel der sachlichen Zuständigkeit gehört nicht zu den Fehlern, die nach § 41 SGB 10 unbeachtlich sind, und nicht zu den Fehlern, derentwegen nach § 42 S 1 SGB 10 die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht verlangt werden kann (vgl BSG vom 3.9.1998 - B 12 KR 23/97 R = SozR 3-3300 § 20 Nr 5 = juris RdNr 14).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 14.3.2019 geändert und die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 17 BA 63/19 beim Sozialgericht Detmold anhängigen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 20.8.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019 angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Der Streitwert für das gesamte Verfahren wird auf 31.148,24 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019 richtet sich das Begehren des Antragstellers zulässigerweise auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 17 BA 63/19 beim Sozialgericht (SG) Detmold anhängigen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.8.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2019.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG die Aufhebung einer schon erfolgten Vollziehung anordnen. Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: st. Rspr. des Senats, z.B. Beschl. v. 7.1.2011 - L 8 R 864/10 B ER - juris Rn. 21).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 11.3.2016 - L 8 R 506/14 B ER - juris Rn. 51 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22.5.2019 anzuordnen, da deren Erfolg überwiegend wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung derzeit mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin nach § 28f Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erlassene Summenbeitragsbescheid, mit dem sie vom Antragsteller Beiträge und Umlagen in Höhe von 124.592,96 Euro einschließlich Säumniszuschlägen gem. § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 52.006,50 ...