Entscheidungsstichwort (Thema)
Stundensatz für ein medizinisches Sachverständigengutachten über schwierige Zusammenhangsfragen
Orientierungssatz
1. Die Vergütung des Sachverständigen richtet sich nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Dabei ist der Umfang des unterbreiteten Sachstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Beweisfragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet und die Bedeutung der Sache angemessen zu berücksichtigen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07.
2. Für das Aktenstudium ist bei einem zu erstellenden Sachverständigengutachten ein einheitlicher Durchschnittswert von 100 Seiten pro Stunde angemessen.
3. Ein Stundensatz von 85.- €. nach der Honorargruppe M 3 ist angemessen für die Begutachtung spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder der Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen. Dazu gehören Gutachten zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten.
4. Ein hoher bzw. besonderer Schwierigkeitsgrad, der die Honorierung zur Gruppe M 3 zulässt, erfordert, dass der Sachverständige umfassende und vielseitige, vielschichtige und verwickelte Überlegungen anstellen muss.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1. wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.8.2012 geändert. Die Vergütung für das Gutachten vom 26.4.2012 wird auf 2973,01 Euro festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1. und die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2. werden zurückgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
In dem Rechtsstreit, der die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zum Gegenstand hatte, erstattete der Beschwerdeführer zu 1. aufgrund der Beweisanordnung vom 6.3.2012 das Gutachten vom 26.4.2012 (Eingang bei Gericht: (10.7.2012). Mit Schreiben vom 31.7.2012 stellte er unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 85 EUR folgende Vergütung in Rechnung:
Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten 9 Stunden 765,00 EUR
Anamneseerhebung 1 Stunde 85,00 EUR
Untersuchung 2 Stunden 170,00 EUR
Abfassung Beurteilung 6 Stunden 425,00 EUR
Diktat und Korrektur 10 Stunden 850,00 EUR
Befundung Fremdaufnahmen 3 Stunden 255,00 EUR
HWS in 2 Ebenen 5100 22,73 EUR
HWS in 2 Ebenen 5105 30,31 EUR
HWS in 2 Ebenen 5105 30,31 EUR
Summe 2633,35 EUR
Schreibgebühr 103.316 Zeichen/63 Seiten 77,48 EUR
Summe 2710,83 EUR
Umsatzsteuer 19 % 515,06 EUR
Gesamtsumme 3225,89 EUR
Mit Schreiben vom 6.8.2012 hat die Kostenbeamtin die Rechnung auf 2279,83 EUR festgestellt und zur Begründung ausgeführt, es sei ein Stundensatz in Höhe von 60 EUR angemessen. Für das Aktenstudium sei ein Zeitaufwand von 6 Stunden anzuerkennen. Zu entschädigen sei nicht der tatsächliche Zeitaufwand, sondern der erforderliche.
Mit Schreiben vom 9.8.2012 hat der Beschwerdeführer zu 1. sinngemäß richterliche Festsetzung beantragt und zur Begründung ausgeführt, unter Berücksichtigung der zumeist doppelseitigen Ausfertigung der Beiakte und der vom Kläger beigebrachten Gutachten und Befundberichte habe ihm beim Aktenstudium Aktenmaterial von insgesamt 581 Seiten vorgelegen, die er auch auf Seite 2 seines Gutachtens erfasst habe. Damit sei sogar eine Bearbeitungszeit für das Aktenstudium von 11,62 Stunden abrechnungsfähig. Die Kürzung auf 6 Stunden sei nicht nachvollziehbar. Auch die Einstufung des Gutachtens in die Honorargruppe M 2 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) sei nicht akzeptabel. Die Honorargruppe M 3 komme unter anderem zur Anwendung bei Gutachten zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten. Aus dem Gutachten und aus den seitens des Gerichts vorgegebenen Beweisfragen ergebe sich, dass es sich um eine komplexe Zusammenhangsbeurteilung handele.
Mit Beschluss vom 27.8.2012 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Vergütung für das Gutachten des Beschwerdeführers zu 1. auf 2279,83 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es sei die Honorargruppe M 2 zu Grunde zu legen. Der Beschwerdeführer zu 1 habe kein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad im Sinne der Honorargruppe M 3 gefertigt. Es handele sich nicht um ein überdurchschnittlich schwieriges Gutachten. Zwar seien Fragen des ursächlichen Zusammenhangs zu beantworten. Der Beschwerdeführer zu 1 habe aber keine umfassenden und vielseitigen, vielschichtigen und verwickelten Überlegungen anstellen müssen. Er habe sich auch nicht mit unterschiedlichen im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen auseinandersetzen müssen. Die Beurteilung einer Wirbelsäulenerkrankung und deren Folgen für das Erwerbsleben des Klägers stelle für einen Chefarzt der Orthopädie eine alltäglich übliche Tätigkeit dar.
Gegen den am 29.8.2012 zugestellten Beschluss hat der Sachverständige am 12.9.2012 Beschwerde erhoben (Beschwerdeführer zu 1)). Zu deren Begründung macht er geltend, das Gericht habe nicht ...