Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Gesamtvergütung. Punktwert. Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Behandlungskonzept. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Beweisantrag
Leitsatz (redaktionell)
Aus dem SGB V ergibt sich kein subjektives Recht des Vertrags(zahn)arztes auf ein Honorar in einer bestimmten Höhe.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; SGB V § 72 Abs. 2, § 85 Abs. 3; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.10.2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.506,03 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen bzw. -rückforderungen im Kalenderjahr 2003 auf Grund des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten.
Der im Jahr 2003 geltende HVM sah eine Verteilung der Gesamtvergütung getrennt nach den Leistungsbereichen KCH und KB, PAR, ZE und KFO vor. Im Bereich KCH wurden die Leistungen ohne Individualprophylaxe bis zu einem Grenzwert nach den gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerten vergütet. Der Grenzwert ergab sich aus der Punktzahl pro Behandlungsfall und wurde nach den Abrechnungswerten der Abrechnungsvolumina des letzten auswertbaren Vorquartals ermittelt. In der für den Kläger maßgeblichen Gruppe der Zahnärzte erhielten Praxen mit einer unter dem durchschnittlichen Bereich von 501 bis 500 Fällen liegenden Fallzahl einen Zuschlag zum Grenzwert, Praxen mit einer überdurchschnittlichen Fallzahl Abschläge für die über den durchschnittlichen Fallbereich hinaus abgerechneten Fälle. In einem Quartal nicht verbrauchte Punktmengen wurden auf die Folgequartale übertragen; außerdem erfolgte ein Jahresausgleich zwischen den Leistungsbereichen.
Dem Kläger, der in allen Quartalen 2003 unterdurchschnittliche Fallzahlen zu verzeichnen hatte, wurden in den jeweiligen Quartalsabrechnungsbescheiden im Bereich KCH/KB Honorar in Höhe von insgesamt 11.231,83 Euro nicht vergütet. Mit Bescheid vom 12.10.2004 setzte die Beklagte für den Kläger im Jahresausgleichsverfahren zwischen den Bereichen KCH/KB/KFO-Sachleistungsvergütungen und Zahnersatz einen Nachvergütungsanspruch in Höhe von 7.667,23 Euro fest. Mit Bescheid vom 13.04.2005 führte sie das Jahresausgleichsverfahren wegen eventueller Budgetüberschreitungen (§ 11 Abs. 6 der Anlage zum HVM) durch und setzte insoweit gegenüber dem Kläger eine Honorarrückforderung in Höhe von 941,43 Euro fest.
Der Kläger legte gegen die Quartalsabrechnungsbescheide für die Quartale I/2003, II/2003 und IV/2003 sowie gegen die Bescheide vom 12.10.2004 und 13.04.2005 Widerspruch ein, den er mit der Verfassungwidrigkeit der HVM-Bestimmungen begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den angefochtenen Bescheiden seien die Regelungen des HVM zutreffend angewandt worden. Der HVM sei mit höherrangigem Recht vereinbar.
Zur Begründung der am 14.09.2005 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die vorgenommenen Kürzungen seien rechtswidrig, weil der HVM unwirksam sei. Er baue auf dem HVM für das Jahr 1999 auf, der nur auf Grund unzulässigem Drucks von der Vertreterversammlung verabschiedet worden sei. Somit sei auch der HVM 2003 unwirksam. Materiell-rechtlich verstoße der HVM gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die unzureichende Vergütung verstoße gegen die "zahnärztliche Würde" und den "zahnmedizinischen Fortschritt" und beschneide das Recht der gesetzlich Versicherten auf eine solide Grundversorgung. Der Gesetzgeber habe in der Vergangenheit einseitig immer nur im zahnmedizinischen-zahntechnischen Bereich Kürzungen vorgenommen, während in den anderen Leistungsbereichen Erhöhungen zu verzeichnen seien. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ergebe sich auch daraus, dass in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts keine gleichartigen Kürzungen vorgenommen worden seien. Die Festlegung von Grenzwerten nach Durchschnittswerten berücksichtige nicht, dass er seine Patienten nach einem modernen zeitgemäßen Praxiskonzept mit einem besonderen Aufwand behandele. Zugleich verstoße der HVM dadurch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Er werde in seinem Recht auf Berufsausübung verletzt, weil durch die HVM-bedingten Kürzungen sein Honorar in einer unangemessenen Weise eingeschränkt werde. Er habe Anspruch auf eine angemessene Vergütung der zahnärztlichen Tätigkeit. Es verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG, wenn Honorar gekürzt und einbehalten werde. Es sei nicht hinzunehmen, dass er als Folge seines "zeitgemäß-modernen Praxiskonzepts" sowie der besonderen Patientenstruktur in dem Bereich der KCH-Regelleistungen derart stark Kürzungen auf Grund des HVM hinnehmen müsse. Leistungen, die ordnungsgemäß im Rahmen eines zeitgemäßen Praxiskonzepts erbracht worden seien, dürften nicht gekürzt werden. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass es insoweit selbst b...