Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung des Rechtsstreits im einstweiligen Rechtsschutz wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gilt auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren. Will das Gericht wegen des fruchtlosen Ablaufs einer von ihm gesetzten Frist den erforderlichen Anordnungsgrund verneinen, so ist es verpflichtet, sicherzustellen, dass die Fristsetzung den Antragsteller zu einem Zeitpunkt erreicht hat, zu dem ihm die Erfüllung der geforderten Mitwirkungshandlung noch fristgemäß und zumutbar war.
2. Ist die gesetzte Frist unzumutbar kurz, so verletzt das Gericht des Weiteren seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.
3. Ist aufgrund dieser Verfahrensmängel eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme i. S. von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG notwendig, so kann das Landessozialgericht nach § 159 SGG den Rechtstreit an das Sozialgericht unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung zurückverweisen.
4. Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, nach § 159 Abs. 2 SGG zu beachten.
Normenkette
SGG §§ 62, 159 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 86b Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 103 Abs. 1; BGB § 133
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 05.11.2015 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller beantragten mit am 29.10.2015 bei dem Sozialgericht Dortmund eingegangenen Schriftsatz, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach dem SGB II zu zahlen. Vorausgegangen war eine Aufhebung einer Leistungsbewilligung durch den Antragsgegner (Bescheid vom 19.10.2015). Zugleich beantragten sie Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren und fügten eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Kontoauszüge von August 2015 bis Oktober 2015, die Kopie eines Arbeitsvertrags der Antragstellerin zu 1) sowie deren Lohnabrechnung für September 2015 bei.
Mit Verfügung vom 29.10.2015, die am 30.10.2015 (Freitag) von der Geschäftsstelle ausgeführt wurde, forderte der Kammervorsitzende von den Antragstellern u.a. Lohn- und Gehaltsabrechnungen vom 01.08.2015 "bis laufend", ungeschwärzte, vollständige Kontoauszüge "vom 01.08.2015 bis laufend" sowie eine aktuelle tabellarische Aufstellung über vorhandenes Vermögen. Den Antragstellern wurde - ohne weitere Hinweise - eine Erledigungsfrist bis zum 04.11.2015 (Mittwoch) gesetzt.
Mit Beschluss vom 05.11.2015 (Donnerstag) lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Nach verständiger Würdigung des Antragsbegehrens gehe das Gericht davon aus, dass die anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den Aufhebungsbescheid vom 19.10.2015 nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, sondern den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG begehren. Es könne dahinstehen, ob der so ausgelegte Antrag statthaft sei. Jedenfalls sei es den Antragstellern nicht gelungen, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Zweifel an der Eilbedürftigkeit seien in erster Linie auf das Verhalten der Antragsteller im Prozess zurückzuführen. Die Antragsteller betrieben das Eilverfahren nur schleppend. Sie verzögerten selbst eine zeitnahe evtl. für sie günstige Entscheidung, indem sie ohne eine nachvollziehbare Begründung die der Verfahrensbeschleunigung dienenden Verfügungen des Gerichts nicht erledigten. Die Antragsteller hätten auf die Verfügung des Kammervorsitzenden vom 29.10.2015 nicht reagiert. Die Kammer verkenne nicht, dass die Auffassung vertreten werde, das Sozialgericht sei verpflichtet sicherzustellen, dass die Fristsetzung die Antragsteller zu einem Zeitpunkt erreicht hat, zu dem die Erfüllung der geforderten Mitwirkungshandlung noch fristgemäß möglich und zumutbar war und das Sozialgericht, wenn es den Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht sicher feststellen kann, verpflichtet sei, die Antragsteller an die Erledigung der Auflage zu erinnern. Diese Auffassung des (erkennenden) 7. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen sei im Beschluss vom 07.05.2015 (L 7 AS 576/15 B ER) nicht näher begründet worden. Die Kammer teile diese Auffassung nicht. Abgesehen davon, dass unklar sei, was genau der 7. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen unter der von ihm verlangten Sicherstellung verstehen wolle, sei die Kammer der Auffassung, dass die vom 7. Senat des LSG wohl als einzig vertretbar erachtete Vorgehensweise mit der Natur des einstweiligen Rechtsschutzes kaum zu vereinbaren sei.
Am 09.11.2015 sind mit Schriftsatz vom 03.11.2015 abgesandte Unterlagen, die mit den bereits im Prozesskostenhilfeverfahren eingereichten Unterlagen identisch sind, nochmals beim Sozialgericht eingegangen. Eine Vermögensaufstellung könne nicht erfolgen, weil kein Vermögen vorhanden sei. Eine ...