Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfall der fiktiven Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich und Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts
Orientierungssatz
1. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG entsteht u. a. , wenn in einem gerichtlichen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.
2. Ein schriftlicher Vergleich i. S. der Nr. 3106 S. 2 Nr. 1 2. Alt. VV RVG ist nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO.
3. Fehlt es an einem entsprechenden Beschlussvorschlag des Sozialgerichts oder einer schriftlichen Initiative mit nachfolgendem deklaratorischen Beschluss des Gerichts, so fällt die sog. fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 1 VV RVG nicht an.
4. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Die Anrechnungsvorschrift gilt auch dann, wenn der Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist.
5. Eine Anrechnung kann aber nur dann vorgenommen werden, wenn die Geschäftsgebühr auch gezahlt worden ist. Danach hat der Rechtsanwalt anzugeben, welche Zahlung auf etwaig anzurechnende Gebühren geleistet worden sind.
Tenor
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 23.01.2015 geändert. Die dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf insgesamt 693,18 Euro festgesetzt. Die weitergehende Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Vergütung für die Tätigkeit des der Klägerin im vorausgegangenen Klageverfahren S 28 SB 42/14 im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH; Beschluss vom 29.07.2014) beigeordneten Beschwerdegegners.
Mit der am 10.01.2014 beim Sozialgericht Köln (SG) erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung eines GdB von mindestens 80 statt 50. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. C unterbreitete die Beklagte folgenden Regelungsvorschlag:
1) Die Beklagte verpflichtet sich, die in dem Bescheid vom 04.10.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2013 zum Grad der Behinderung (GdB) getroffenen Feststellungen aufzuheben und insoweit über den am 08.08.2013 rechtswirksam gestellten Antrag neu zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung wird davon ausgegangen werden, dass der Grad der Behinderung ab 08.08.2013 -60- (in Worten: Sechzig) beträgt.
2) Die Beklagte übernimmt die gemäß § 193 SGG erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Gegenseite zu 1/4.
3) Die Gegenseite ist hiermit einverstanden und sieht den Rechtsstreit als erledigt an.
Mit Schriftsatz vom 18.07.2014 nahm der Beschwerdegegner diesen Vorschlag für die Klägerin an. Mit Schreiben vom 28.07.2014 machte er folgende Kosten für das Vorverfahren geltend:
Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG EUR 300,00
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG EUR 20,00 EUR
= 320,00
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG EUR 60,80
Summe EUR 380,80
davon 1/4: EUR 95,20
Den hiervon auf sie entfallenen Betrag von 95,20 Euro erstattete die Beklagte im Folgenden.
Der Beschwerdegegner reichte am 28.07.2014 seine Kostenrechnung ein und beantragte, seine Vergütung aus der Staatskasse folgendermaßen festzusetzen:
Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV 1006) EUR 300,00
Verfahrensgebühr (VV3102) EUR 150,00
(= EUR 300,00./. EUR 150,00 Anrechnung Vorbem. 2.3 IV)
Terminsgebühr (VV 3106) EUR 270,00
Pauschale (VV 7002) EUR 20,00 EUR
= 740,00
Umsatzsteuer EUR 140,60
Summe EUR 880,60
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) setzte die Vergütung nach Maßgabe des Rechtsanwaltsgebührengesetzes (RVG) in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG) mit Beschluss vom 08.08.2014 auf insgesamt 559,30 Euro wie folgt fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG EUR 300,00
Abzgl der Anrechnung 2302 VV zu ½ EUR 150,00
Einigungsgebühr Nr.: 1006 VV RVG EUR 300,00
Entg. F. Post/Telekom. Dienstlstg. Nr.: 17701 VV RVG EUR 20,00
Zwischensumme netto EUR 470,00
19 % Umsatzsteuer gem. 7008 VV RVG EUR 89,30
Summe brutto: EUR 559,30
Eine Terminsgebühr nach der Nr. 3106 VV RVG sei nicht angefallen. Es habe weder ein Termin stattgefunden, noch liege ein Anerkenntnis der Beklagten vor. Das Verfahren sei auch nicht im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden worden. Gemäß § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei es erforderlich, dass die Beteiligten einen Vergleich zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden schließen. Überdies könne ein Vergleich auch in der Art und Weise geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts annehmen. Auch diese Voraussetzungen lägen nicht vor.
Hiergegen legte der Beschwerdegegner am 11.08.2014 Erinnerung ein und trug zur Begründung vor, die Terminsgebühr sei zu Unrecht abgesetzt worden. Im vorl...