Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsgebühr bei einer Untätigkeitsklage. Entstehen der fiktiven Terminsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Untätigkeitsklage iS von § 88 SGG ist in der Regel nur eine Verfahrensgebühr in Höhe von 80 Euro - Ansatz der doppelten Mindestgebühr nach Nr 3102 (nicht Nr 3103) VV RVG - gerechtfertigt.
2. Eine sog fiktive Termingebühr nach Nr 3106 Ziff 3 VV RVG entsteht nicht, wenn das Verfahren durch (einseitige) Erledigungserklärung nach Erlass des begehrten Verwaltungsaktes beendet wird.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des auf die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übergegangenen Anspruchs auf Kostenerstattung.
Seit dem 01.01.2005 bezieht die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 29.08.2006 bewilligte die Stadt N der Klägerin Leistungen in Höhe von 183,67 EUR monatlich für den Zeitraum von September 2006 bis März 2007. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit Schreiben vom 07.09.2006 Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein zu hohes Einkommen ihres Lebenspartners berücksichtigt worden sei. Mit Schreiben vom 05.10.2006 teilte die Stadt N die Nichtabhilfe und Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsstelle der Beklagten mit. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 18.10.2006 den Eingang des Widerspruchs.
Am 26.01.2007 erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht (SG) Detmold mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihren Widerspruch vom 07.09.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Durch den Widerspruchsbescheid vom 03.04.2007 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als sie der Klägerin für den Bewilligungszeitraum zusätzliche Leistungen in Höhe von 37,72 EUR monatlich gewährte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Daraufhin erklärte die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 10.04.2007 den Rechtsstreit für erledigt. Mit Schreiben vom 30.09.2007 erkannte die Beklagte die Kosten des Verfahrens dem Grunde nach an.
Durch Beschluss vom 10.04.2007 hat das SG der Klägerin unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt. Am 20.04.2007 hat die beigeordnete Rechtsanwältin die Festsetzung einer Gebühr von 249,90 EUR gegen die Staatskasse beantragt, die sich wie folgt zusammensetzte:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 190,00 EUR Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 39,90 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.04.2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 121,38 EUR festgesetzt, die sich wie folgt zusammensetzten:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 85,00 EUR Postgebührenpauschale Nr. 7002 VV RVG 17,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 19,38 EUR
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Verfahrensgebühr entstehe nach Nr. 3103 VV RVG, da die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren von der beigeordneten Rechtsanwältin vertreten worden sei. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei aus der Sicht eines objektiven Dritten als gering anzusehen. Streitgegenstand des Verfahrens sei die Untätigkeit, das Nichtbescheiden des Antrags der Klägerin gewesen. Das Interesse der Klägerin an der rechtsmittelfähigen Bescheidung eines Antrag könne nicht ihrem rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesse an der Gewährung der begehrten Leistung gleichgesetzt werden. Die Untätigkeitsklage sei als prozessuale Maßnahme zur Erzwingung einer zeitnahen Verwaltungsentscheidung nur vorbereitendes Element zur Abwägung, ob hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs, nach Prüfung des Widerspruchsbescheides, Klage erhoben werden solle. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei als gering zu bewerten. Das Verfahren habe nach Klageerhebung bis zur Erledigungserklärung etwa 3 Monate gedauert. Der anwaltliche Schriftwechsel umfasse die Klageschrift, einen weiteren Schriftsatz und die Erledigungserklärung vom 10.04.2007. Durchschnittlich zu bewertende Verfahren lägen nach Dauer und Umfang deutlich über dem Aufwand der vorliegenden Untätigkeitsklage.
Hiergegen legte die beigeordnete Rechtsanwältin Erinnerung ein und beantragte die Festsetzung eines Betrages von 285,60 EUR unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von 125,00 EUR, einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG von 95,00 EUR, Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR sowie nach Nr. 7008 VV RVG von 45,60 EUR. Durch Beschluss vom 09.07.2007 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Antrag vom 12.06.2007 auf Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG zurück. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 12.09.2007 änderte das SG Detmold den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.04.2007 dahin ab, dass der Betrag der beigeordneten Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 172,55 EUR f...