Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtzeitige ärztliche Ausstellung der Folgebescheinigung von Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Weitergewährung von Krankengeld

 

Orientierungssatz

1. Nach § 46 S. 1 Nr. 2 SGB 5 entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

2. Es obliegt dem Versicherten, zur Vermeidung von Lücken im Bezug von Krankengeld für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen.

3. Unterbleibt die rechtzeitige Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, so reicht es für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus, wenn der Versicherte seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber trotz Arzt-Patienten-Kontakts durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung des Arztes, eine Bescheinigung nicht auszustellen, gehindert worden ist (BSG Urteil vom 11. 5. 2017, B 3 KR 22/15 R).

4. Nach § 46 S. 2 SGB 5 in der ab 23. 7. 2015 geltenden Fassung bleibt der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.07.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Krankengeld (§§ 44 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) vom 22.07.2015 bis zum 23.11.2015.

Der seit 2010 bei der Beklagten krankenversicherte Kläger nahm ab dem 24.06.2014 zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (Umschulung zum Industriekaufmann) teil.

In dem Zeitraum vom 13.10.2014 bis zum 21.07.2015 war der Kläger nach ärztlicher Feststellung arbeitsunfähig. Nachdem Dr. H, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, X, für diesen Zeitraum zuletzt unter dem 23.06.2015 Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Anpassungsstörung (ICD-10-Schlüssel: F 43.2) bis zum 21.07.2015 bescheinigt hatte, attestierte er am 14.09.2015 wegen dieser Krankheit erneut rückwirkend Arbeitsunfähigkeit vom 28.07.2015 bis 07.10.2015.

Nachdem die DRV Bund die Zahlung unterhaltssichernder Leistungen wegen Abbruchs der Umschulungsmaßnahme zunächst eingestellt hatte, erbrachte sie in dem Zeitraum vom 10.08.2015 bis zum 31.12.2015 erneut Übergangsgeld (§§ 20 ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) in Höhe von 68 v.H. der maßgeblichen täglichen Berechnungsgrundlage von 67,80 EUR (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) a.F.). Auf dieser Grundlage bezifferte die DRV Bund den täglichen Übergangsgeldanspruch auf 46,10 EUR, wobei sie ab dem 01.09.2015 ein zufließendes Einkommen von täglich 15,89 EUR abzog.

Nach Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bewilligte die Beklagte Krankengeld vom 14.10.2014 bis zum 21.07.2015. Hierbei bezifferte sie den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit ab dem 01.01.2015 mit täglich 37,07 EUR (brutto) bzw. 33,03 EUR (netto) (Bescheid vom 27.07.2016). Einen über den 21.07.2015 hinausgehenden Anspruch lehnte sie mit Bescheid vom 26.07.2016 ab: Der Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit sei nicht bis spätestens 22.07.2015, sondern erst am 28.07.2015 attestiert worden. Überdies sei ihr die Bescheinigung erst am 14.09.2015 zugegangen. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides vom 26.07.2015 wird Bezug genommen.

Den gegen diese Entscheidung am 25.08.2016 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2017 als unbegründet zurück. Obgleich Arbeitsunfähigkeit bis zum 23.11.2015 attestiert worden sei, habe der Anspruch auf Krankengeld während des Bezugs von Übergangsgeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V geruht, weshalb auch ab dem 14.09.2015 Krankengeld nicht geleistet werden könne. Auf den weiteren Inhalt des Widerspruchsbescheides wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit der am 04.05.2017 zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei durchgängig arbeitsunfähig gewesen und könne während des Bezugs von Übergangsgeld jedenfalls einen "Krankengeldspitzbetrag" beanspruchen. Er hat zunächst vorgetragen, die DRV Bund habe die Bewilligung von Krankengeld für den Zeitraum ab dem 10.08.2015 aufgehoben und das geleistete Übergangsgeld zurückgefordert. Soweit die Beklagte seinem Anspruch die Vorschrift des § 49 Abs. 3 SGB V entgegenhalte, sei das in dieser Norm statuierte einfachgesetzliche Aufstockungsverbot wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Der Ausschluss einer Kompensation abgesenkter Entgelt- oder Entgeltersatzl...

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