Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Gutachten. Aktenstudium. erforderliche Zeit. Zugrundelegung eines Durchschnittswerts von 100 Seiten pro Stunde
Orientierungssatz
1. Die Vergütung des Sachverständigen richtet sich nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Wie viel Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen.
2. Unter Zugrundelegung des objektiven Maßstabs zur Ermittlung des erforderlichen Zeitaufwands sowie aus Gründen der Praktikabilität und der Handhabbarkeit für die Kostenbeamten erachtet der Senat nunmehr - entsprechend Verwaltungspraxis der meisten Bundesländer - einen einheitlichen Durchschnittswert von 100 Seiten pro Stunde beim Arbeitsschritt des Aktenstudiums für angemessen, soweit nicht außergewöhnliche Umstände ein Abweichen hiervon gebieten.
Tenor
Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.01.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Der Senat entscheidet gemäß § 4 Abs. Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Für den Arbeitsschrift des Aktenstudiums und der vorbereitenden Arbeiten ist ein Zeitanteil von 1 1/2 Stunden zugrunde zu legen.
Gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) richtet sich die Vergütung des Sachverständigen nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Wie viel Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Erforderlich ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, um sich nach sorgfältigem Studium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehender Überlegung seine gutachtlichen Darlegungen zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei ist der Umfang des unterbreiteten Sachstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Beweisfragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet und die Bedeutung der Sache angemessen zu berücksichtigen (Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 26.07.2007 - 1 BvR 55/07- JurBüro 2008, 44), des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 16.12.2003 - X ZR 206/98 - MDR 2004, 776), des zuständigen Senats des LSG NRW (Beschlüsse vom 13.02.2008 - L 4 B 17/07, vom 24.09.2008 - L 4 B 9/08 und vom 5.8.2011 - L 15 R 425/11 B) sowie der zuständigen Senate anderer Bundesländer (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 8.10.2012 - L 5 SF 64/11 KO; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.9.2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A; Thüringer LSG, Beschluss vom 1.8.2003 - L 6 SF 220/03).
Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten erfordern es, die Akten sorgfältig durchzuarbeiten und zur Vorbereitung der nachfolgenden gutachterlichen Untersuchung und Anamnese Notizen und ggf. Aktenauszüge zu fertigen. Zu berücksichtigen ist einerseits, dass ein mit der täglichen Durcharbeitung von Gerichtsakten nicht vertrauter Sachverständiger hierfür längere Zeit benötigt als ein in dieser Tätigkeit geübter Richter. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass für den medizinischen Sachverständigen nur bestimmte Aktenteile von Interesse sind, die er herauszusuchen und zu erfassen hat, soweit es für die Beantwortung der Beweisfragen notwendig ist. Die nochmalige Überprüfung des im Schätzungswege zu ermittelnden Zeitaufwandes für Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten führt dazu, dass der Senat von seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach der Sachverständige für jeweils 50 Seiten mit ärztlichen Unterlagen durchsetztem Aktenmaterial eine Stunde benötigt, abweicht. Die inzwischen vorhandenen technischen Mittel erlauben bei dem hier zu beurteilenden Arbeitsschritt ein zügigeres Vorgehen als in zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten. So sind etwa Notizen mit modernen technischen Mitteln schneller zu erstellen und besser für die gesondert zu vergütenden übrigen Arbeitsschritte verwertbar als es bei handschriftlichen Notizen in früherer Zeit der Fall war. An Stelle von Exzerpten können Fotokopien erstellt werden.
Die Annahme, dass ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität eine größere Anzahl von Seiten beim Aktenstudium bewältigen kann, wird durch die Rechtsprechung der Kostensenate anderer Bundesländer bestätigt. So legt das Thüringer LSG (Beschluss vom 1.8.2003 - L 6 SF 220/03 - MEDSACH 2004, 102) zugrunde, dass der Sachverständige etwa 80 Blatt mit 1/4 medizinischem Inhalt in einer Stunde bewälti...