Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsstreitigkeiten zwischen Krankenversicherungsträgern und Ärzteverbänden. Angelegenheiten des Vertragsarztrechts. Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Regelungs- und Sicherungsanordnung. Geltendmachung. wesentliche Nachteile. keine Beschränkung auf solche von wirtschaftlicher Art. Berufung auf zivilrechtlichen Ehrenschutz. hausarztzentrierte Versorgung. Regelversorgung
Orientierungssatz
1. Rechtsstreitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenversicherungsträgern und Ärzteverbänden sind jedenfalls dann dem Vertragsarztrecht iS des § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Verbandes Vertragsärzte sind und der Verband deren Interessen (auch) im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung vertritt.
2. Nach § 12 UWG können zwar zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Im Verfahren vor den Sozialgerichten sind allerdings die zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu beachtenden Voraussetzungen (allein) in § 86b SGG geregelt.
3. Es besteht kein striktes "Entweder/oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung.
4. Die in der Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 2 SGG formulierten "wesentlichen Nachteile" beschränken sich nicht auf solche von wirtschaftlicher Art.
5. Auf zivilrechtlichen Ehrenschutz kann sich ein gesetzlicher Krankenversicherungsträger berufen.
6. Die Regelung des § 73b verlangt nicht, dass in der hausarztzentrierten Versorgung über die Regelversorgung hinausgehende Leistungen angeboten werden.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Ortskrankenkasse für den Bezirk Baden-Württemberg. Der Antragsgegner ist die Interessenvertretung der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland.
Zum 01.07.2008 schloss die Antragstellerin mit der HÄVG Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG, MEDIVERBUND Dienstleistungs GmbH, teilnehmenden Hausärzten sowie dem Deutschen Hausärzteverband Landesverband Baden-Württemberg e.V. und MEDI Baden-Württemberg e.V. einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg gemäß § 73b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ziel dieses Vertrages (im Folgenden: "HzV") ist die Verbesserung der hausärztlichen, insbesondere der allgemeinärztlichen Versorgung. Teilnahmeberechtigt sind gemäß § 2 Abs. 2 HzV alle in Baden-Württemberg zugelassenen und an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a S. 1 SGB V teilnehmenden Vertragsärzte. Hierzu gehören Allgemeinärzte, Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben.
Zum 01.07.2009 schloss der Antragsgegner mit der AOK Bayern einen Vertrag über die pädiatriezentrierte Versorgung (im Folgenden: "PzV"). Ziel des Vertrages ist die Verbesserung der pädiatrischen Versorgung. Teilnahmeberechtigt sind auf Seiten der Leistungserbringer gemäß § 4 Abs. 1 PzV Kinder- und Jugendärzte sowie Allgemeinmediziner und Internisten mit abgeschlossener Weiterbildung in Kinder- und Jugendmedizin. Seitens der Patienten können grundsätzlich nur Versicherte bis zum Alter von 18 Jahren am Vertrag teilnehmen.
Der Antragsgegner versucht nach eigenen Angaben seit Anfang 2009 mit der Antragstellerin einen Vertrag über die pädiatriezentrierte Versorgung, wie in Bayern geschehen, auch für Baden-Württemberg abzuschließen. Das ist bislang nicht gelungen, weil die Antragstellerin - wiederum nach Angaben des Antragsgegners - die Auffassung vertritt, die Kinderärzte sollten am HzV teilnehmen. Dem ist der Antragsgegner u.a. mittels verbandspolitischer Aktivitäten entgegengetreten. So veröffentlichte er am 01.07.2009 auf seiner Internetseite www...de den streitbefangenen Beitrag wie folgt:
01.07.2009 Kleinkinder in Baden-Württemberg werden zu Patienten zweiter Klasse Die medizinische Versorgung von Kleinkindern in Baden-Württemberg (BW) wird sich in Zukunft gegenüber ihren Altersgenossen in Bayern deutlich verschlechtern. Darauf weist der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Baden-Württemberg hin. Hintergrund ist ein neuer so genannter pädiatriezentrierter Vertrag (PzV), der zwischen der AOK Bayern und dem BVKJ in Bayern abgeschlossen wurde und der vor allem für die Altersgruppe von 0-5 Jahren spezielle Leistungen anbietet und damit den betreuenden Pädiatern in Bayern ermöglicht, intensiv auf die spezifischen Gesundheitsprobleme von Säuglingen und Kleinkindern einzugehen. So werden in diesem neuen Vertrag beispielsweise ein flächendeckendes Nierenscreening, eine ausführliche Infektionsdiagnostik und ein umfassender Test angeboten, mit dem Kinderärzte die Eignung der Kleinen für die Vorschule überprüfen können. Darüber hinaus können nur Ärzte an diesem Vertrag teilnehmen, die in ihren Praxen auch über die notwendigen Geräte verfügen, um z.B. die Entwicklung einer Fehlsichtigkeit oder eines angeborenen Hörschadens frühzeitig z...